Meine Antwort:
1. Ein Rasterpunkt auf der Offsetplatte wird die Farbe nicht ganz randscharf annehmen. Er wird versuchen, mehr von der zügigen (also gut zusammenhängenden) Farbe anzunehmen, als ihm seine Fläche zugibt.
Es gibt eine Konkurrenz der Oberflächenbenetzung. Wenn der Feuchtmittel - pH steigt, schwächt er interessanterweise die bildfreien Flächen. Damit kann sich der Rasterpunkt verbreitern, eine Rasterfläche sogar ganz zulaufen. Oberhalb von pH 5,3 (!) schon beginnt diese Gefahr - besonders im Gelb und im Magenta.
Gibt man Kalklöser (Calgon) ins Feuchtmittel, stärkt man interessanterweise die bildfreien Flächen, und die Punkte drucken spitzer aus. Es ist also ein empfindliches, oberflächenchemisches Geschehen, das die Farbbesetzung der Rasterpunkte bestimmt.
2. Selbstverständlich hat auch das Breitquetschen zwischen Walzen und Zylindern seinen Anteil. In der Literatur wird es gewöhnlich als einziges genannt. Nur kommt es nicht merkbar daher: Die Farbschicht ist ~1µm dick, und ein Rasterpunkt bei 60 L/cm hat etwa 80 µm Durchmesser, stellt also eine hauchdünnes Blättchen dar. Und das soll noch deutlich breiter gequetscht werden? Bei solchen Viskositäten?
Die Unebenheiten der Plattenoberfläche sind viel stärker als die Farbschicht, 10 - 15 µm. Wenn die Oberflächen des Gummituches und dann besonders des Bedruckstoffes aber weich und zerklüftet sind, wird bei jeder Übergabe der Punkt merkbar breiter gezogen. Er wird dabei auch uneben, weil er sich den Oberflächen anpasst.
3. Auf Bedruckstoffen, in die das Licht etwas eindringt, kommt noch eine extra Wirkung der bedruckten Rasterfläche hinzu, der Lichtfang. Er ist physikalisch vorhanden, also keine optische Täuschung. Er verstärkt die Farbwirkung einer Rasterfläche, ihre optische Dichte. Korrekt wird deshalb die optische Wirkung der Rasterfläche als Tonwert bezeichnet. Etwas missverständlich hat sich in der Literatur der Ausdruck „optisch wirksame Flächendeckung“ eingebürgert und wird als FD abgekürzt, z. B. in der bekannten Gleichung nach Murray und Davies. Die echte Flächendeckung ist selbstverständlich die geometrische, also ohne den Lichtfang. siehe auch Fragen 54 und 170 und 13
Es wäre hier übrigens interessant, mal Plattenhersteller oder Maschinenbauer zu interviewen. Möglicherweise wird das Thema dann noch breiter.