Kein Interesse mehr an Selbstständigkeit ?

  • Hallo zusammen,
    ich hätte gerne mal eure Meinung gehört zu dem Thema Selbstständigkeit.
    Ich habe mit einem Partner seit 27 Jahren eine kleine Druckerei in Neuwied.
    Mit 58 Jahren wollten wir eigentlich -nach 45 Arbeitsjahren- in den wohlverdienten Ruhestand.
    Jetzt werde ich 60 und bin immer noch am Arbeiten.
    Der Grund dafür ist eigentlich nur, dass wir bisher keinen gefunden haben der unsere kleine Druckerei übernehmen möchte.
    Eigentlich kein Problem da wir unsere Maschinen einfach verkaufen, und die Tür zumachen könnten.
    Aber wir haben bis auf 1000,- € Miete und paar € Nebenkosten keine Verbindlichkeiten und machen noch einen Umsatz in 6-stelliger Höhe.
    Fakt ist, diesen mit einem langjährigen und sehr guten Kundenstamm bestückten Betrieb einfach zu schließen ist uns einfach zu schade.
    Liegt es nur am Geld, oder sehen junge Fachkräfte wirklich keine Zukunft mehr in unserer Branche? :):):?::?:

  • Hallo befi,
    es kommt halt auf das Angebot an. 6-stelliger Umsatz kann auch bedeuten


    120.000 € Umsatz
    -12.000 Miete
    -6000 Nebenkosten
    -40.000 € Materialkosten
    macht 62.000 € davon noch sonstige Kosten etc bezahlen und natürlich den/die Alteigentümer bezahlen in welcher Form auch immer.


    Da hätte ich auch keine Lust drauf. Wenn es Interessant von den Zahlen ist wird sich sicherlich auch jemand finden der es macht und das Risiko trägt.
    Wenn aber viel Idealismus dahinter steckt wird die Zahl der potenziellen Nachfolger schon erheblich weniger.


    Grüße Schramme

  • Frage,
    Warum lasst ihr es nicht laufen wie es läuft ?
    Ich kann mir nicht vorstellen das ihr niemanden findet der euch mit gut gehenden Läden stehen lässt .
    Geht es euch nur um einen Verkauf , oder wie schaut es aus mit einer Art " Mitbeteiligung " - sodas der Laden weiter läuft und ihr noch etwas davon habt ?

    Es ist schwer im Tempel des Rechts logisch zu argumentieren, wenn der Hohepriester nicht ganz dicht ist.

  • Vielen Dank für eure Meinungen.
    Wir lassen es im Moment so laufen wie es ist.
    Wir haben keinen langfristigen Mietvertrag mehr. Wir können jederzeit vierteljährlich kündigen. Da wir viele Druckaufträge schon außer Haus fertigen lassen haben wir selbst keinen Druck. Eine Mitbeteiligung macht keinen Sinn. Ein Nachfolger muss freie Hand haben um sich die Zukunft selbst zu gestalten. Natürlich würden wir jemand voll unterstützen bis die Übergabe gelaufen wäre. Aber für uns ist es auch kein Problem wenn keiner weiter macht. Die Maschinen werden verkauft und die Druckerei die für uns viele Aufträge fertigt freut sich über die Mehrkunden wenn wir aufhören. Wobei wir unseren langjährigen und guten Kundenstamm auch nicht ganz umsonst hergeben. Na ja warten wir mal ab was die Zukunft bringt. Wir haben ja keinen Druck außer dem Alter und ein und das andere Wehwehchen.
    Was Kollege Schramme schreibt ist auch nicht ganz falsch. Aber so ist es bei uns nicht es bleibt noch etwas hängen. Man muss auch folgendes bedenken, jemand der einen laufenden Betrieb übernimmt hat schon an seinem ersten Arbeitstag Arbeit. Ich habe 1986 mit null angefangen. Keine Maschinen, keine Kunden. Ich hätte etwas drum gegeben so einen kleinen Betrieb übernehmen zu können. Für mich hieß es damals jeden Samstag und Sonntag arbeiten sowie die ersten fünf Jahre keinen Urlaub. Aber ich habe den Eindruck auch das will heute keiner mehr. Am besten jeden Monat 10000€ und dreimal Urlaub im Jahr. Aber da muss ich sagen im Handwerk wird es das wohl nie geben.


    Liebe Grüße an alle Kollegen

  • Hallo Zusammen,
    nun es ist ja eine sagen wir mal schwierige Branche geworden. 1986 konnte glaube ich jeder der sich Mühe gegeben hat irgendwie im Druckgewerbe Fuß fassen. Die Kunden bzw der Markt war da und man konnte mit viel Arbeit und Fleiß auch ordentlich Geld verdienen oder zumindest seinen Lebensunterhalt gut finanzieren.
    Heute sieht der Markt leider anders aus. Kunden wollen aktiv gewonnen werden und attraktive Preise erzielt werden. Nur mit Idealismus kommt man leider nicht sehr weit...oder bis vor die Türe der Bank, die einem dann sagt geht nicht.
    Wenn der zu übernehmende Betrieb 100.000 Euro Gewinn macht liegt der Kaufpreis bei ca 300.000/350.000 Euro. Dann kann ich als Nachfolger sagen ok, die 300.000 bezahl ich in den nächsten Jahren mit 50.000 pro Jahr ab. Dann bin ich in 6 Jahren fertig........
    Voraussetzung ist allerdings das der Betrieb auch noch die 6 Jahre produzieren kann ohne Ersatzinvestition.
    Leider gibt es diese Betrieb sehr selten und somit auch sehr selten einen geeigneten Nachfolger.
    Ich möchte nichts schlecht reden, aber für den Nachfolger geht es nur darum ob er in Zukunft seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann. Ganz ehrlich, für 30.000 € brutto im Jahr lass ich es doch besser sein. Dann doch lieber Angestellter ohne Risiko und Augen zu......


    Grüße von Schramme,
    der sich gerne eine Druckerei zur Übernahme aussuchen würde:-)

  • Ich habe meine Druckerei auch von null an aufgebaut, allerdings erst vor 7 Jahren. Reich werde ich damit nicht, aber es funktioniert. Wenn ich mir jetzt aber überlege, ich müsste alle meine bereits bezahlten Maschinen nochmal kaufen und dann noch meinen Kundenstamm ablösen, dann würde die Kalkulation nicht mehr aufgehen.


    Damals habe ich mir auch eine Druckerei angesehen, die ich hätte übernehmen können. Die Bedingungen waren so schlecht, dass es für mich einfacher und weniger riskant war, meine Druckerei bei null anzufangen.


    Ein befreundeter Kollege hat bei seinem Sprung in die Selbständigkeit eine Druckerei übernommen. Viele Vorteile hatte er dadurch nicht, von den übernommenen Kunden sind viele abgesprungen oder waren Karteileichen, den überalterten Maschinenpark musste er auch stückweise auf vordermann bringen.


    Was ich damit sagen will ist, dass die Sichtweisen des Übergebenden und des Übernehmenden sehr unterschiedlich sein können. Wenn Ihr viele Aufträge außer Haus fertigen lasst, ist das für mich ein Indiz, dass der Maschinenpark nicht mehr auf einem aktuellen Stand ist. Würde die Kalkulation noch immer aufgehen, wenn Euer Nachfolger erstmal modernere Maschinen kaufen muss und dann noch einen Drucker einstellen muss, da Ihr ja den Laden momentan zu zweit schmeißt?

  • Wir sind ein kleiner, aber feiner Betrieb in Sachsen-Anhalt, verkehrsgünstig gelegen. Seit 1883 in Familienhand! Wir sind immer auf der Suche Kunden von Kollegen zu übernehmen oder noch besser gemeinsam zu betreuen. Ich denke, daß dies eine sinnvolle Fortführung der Kundenbeziehung zum Nutzen aller Parteien ist. Wir nutzen das Modell erfolgreich. Bei Interesse freuen wir uns auf ihren Kontakt.

  • Selbstständg? Ja, aber nicht mit einer "normalen" Druckerei! Ca.90% aller Auträge werden über den Preis verkauft.Gewinn 2% Tendenz gegen Null.
    Also ein schlechtes Geschäft.Dazu die vielen schlecht vorbereiteten PDF-Dateien die vom Kunden geliefert werden(Digital ist ja so einfach-was auf dem Monitor sichtbar ist wird auch so gedruckt!!)Diese Dateien müssen oft als "Kundendienst " brauchbar gemacht werden um den Auftrag zu bekommen.Also wenn selbstständig dann mit einer Druckerei die besonderes anbietet(was andere nicht können oder wollen) oder als Agentur.Da entfallen schon einmal die Kosten für die neuesten Maschinen und das Personal.Überleben werden nur die ganz Großen-oder die ganz Kleinen.

  • .... das dumme ist, dass die Preise in den Keller fallen, die Kosten aber gleich geblieben bzw. gestiegen sind.


    Schaut euch mal an, was eine Adobe Suite kostet, oder Acrobat Pro + Pitstop.... Das meiste kann man nicht mehr kaufen sondern nur noch mieten - jeden Monat fließt Geld.
    Ne Druckmaschine ist auch nicht billiger geworden.
    Das einzige was weniger ist, sind Personalkosten - denn die Angestellten fahren jährlich 0-runden bzw. bekommen bei Neueinstellung gleich nen Popelbetrag pro Stunde.


    Wer heute Produziert ist der Dumme - jeder Fehler wird auf die Druckerei abgewältzt - oder gedroht, dass man als Kunde abspringt....


    Wer hat darauf noch lust?

  • Ich bin am überlegen mich selbständig zu machen. Es ist jedoch nicht nur die Frage von Preis, sondern auch von Produkten. Für mich war immer die Frage einfach die Maschinen kaufen, oder einen Betrieb zu übernehmen und darauf aufzubauen. Die Problematik dabei ist, die Leute die Betrieb abgeben wollen meistens viel zu viel für die Übernahme wollen. Nicht nur den Wert der Maschinen, sondern viel mehr. Es ist normal dass man mehr als den Wert der Maschinen bezahlt, aber die Summen die ich erlebt haben waren meistens lächerlich. So in der Art, die Maschinen sind 50.000 Euro Wert, aber die Firma ist 500.000 Wert. Außerdem dass die Alteigentümer sogar das Sagen, oder Teil davon, behalten wollten.
    Also, für die andere Seite, die sich selbständig machen will bzw. was übernehmen will, ist auch nicht leicht gemacht.

  • Auch wenn der eine oder andere Alteigentümer das anders sieht, aber wenn ich in einer Verhandlung höre: "Die Jugend von heute will mindestens 100.000€/Jahr und oft Urlaub" und "damals haben wir den Betrieb nur durch harten Fleiß aufgebaut, heute unvorstellbar", dann sollte man seinen Kaffee austrinken und das Gespräch rasch/höflich beenden.


    Es ist enorm wie hoch viele, oft kleinere Betriebe, den Wert der Firma einschätzen. Ohne dabei zu bedenken wie der Kundenstamm aussieht, wo das Potenzial in diesem liegt, auf welchem Stand der Technik wirklich alles ist, wie modern sind die Maschinen, wie gut ist die EDV in der Firma, Wachstumsmöglichkeiten der Firma,...


    Da ist es oft einfacher und sinnvoller ein neues Unternehmen zu gründen, auch weil bei einem kleinen Betrieb durch das Ausscheiden der alten Eigentümer sehr viel Wissen verloren geht.


    Als Tipp kann ich "älteren" Besitzern nur empfehlen, sich mal jemand junges ins Haus zu holen, muss gar nicht direkt aus der Branche sein, der schon Selbstständig ist. Diese erkennen oft schnell das Potenzial, aber auch die Probleme. Aber kein Unternehmensberater!

  • Moin moin,
    also ich hab das auch mal versucht, mehrere Jahre lang. Kleine und mittlere Druckereien zu pachten oder zu kaufen versucht. Es heißt ja auch die ganze Zeit schon, dass es keine Nachfolger für die Betriebe gibt bzw. die Nachfolge ungewiss ist.
    Ich habe keinen einzigen Inhaber kennengelernt, der irgendwelche Sprüche gemacht hätte, weder über die Jungend noch über Fleiß oder ähnliches. Ganz im Gegenteil, die Hilfe, die da entgegenkam, war unbeschreiblich.
    Unbeschreiblich war auch der Gegenwind, der von den Banken kam. Am Anfang war da die Forderung auf 10% Eigenkapital. Ist o.k., nur wer sinnvoll investiert, kommt zu was. Dann ging´s los: Buchprüfung, Kostenminimierung usw. Der Hammer war dann eine 5-Jahres Prognose, die man abzuliefern hatte und als Maßstab für weitere Prüfungen dienen sollte. Ich hab das alles gemacht, wir waren dann bei der letzten Besprechung vor der Unterschrift, als die Bank dann plötzlich 25% EK haben wollte. Trotz der Mittel aus öffentlicher Förderung (und da gibt es einige) konnte ich das nicht aufbringen. Also war´s das. Der Inhaber musste krankheitsbedingt zumachen und den Betrieb dann abwickeln. Zehn Leute auf der Straße. Ich würde das heute auch noch gerne machen, wenn ich die nötigen Mittel hätte, denn ich bin auch der Meinung, dass man bei entsprechendem Einsatz und Spezialisierung auch im grafischen Gewerbe es zu Wohlstand bringen kann.
    Gruß

  • Hallo befi,


    mich würde mal interessieren wie/wo du deinen Betrieb angeboten hast.
    Liegt es ggf. daran, dass du die richtigen Leute noch nicht gefunden hast?
    Im Internet gibt es doch spezielle Portale, auf denen man ganze Betriebe
    verkaufen kann ( ich meine nicht Ebay ;) aber mir fällt der Name nicht ein).
    Hast du es da vielleicht schon mal versucht? Alternativ könntest du dich ja
    ggf. an einem Mitbewerber in deiner Umgebung wenden, der ggf. expandieren möchte.