Wer soll das alles bezahlen?

  • Wenn ich mir die Tarifabschlüsse der Bahn so anschaue, kommen bei mir die Tränen!

    Wie schaut es bei uns aus? Der Bundesverband Druck und Medien bietet ab Juni 2% mehr Lohn an! Ab Juni 2025 sagenhafte 1%!

    Für mich ist das eine Frechheit und zeigt die ganze Wertschätzung in unserem Beruf!

    Ich bin im August 45 Jahre in diesem Beruf! Hab damals gutes Geld verdient! Urlaub, Weihnachtsgeld, Überstundenzuschläge! Konnte als Alleinverdiener meine Familie und 3 Kinder ohne Sorge großziehen…. Das war bis in die 2000er so!

    Danach ging es stetig Bergab! Urlaub, Weihnachtsgeld , Zuschläge, Lohnerhöhungen wurden eh nicht bezahlt! Ich hab der Firma meinen Resturlaub geschenkt, war immer loyal zu meinem Arbeitgeber! Was war die Quittung? Mit 60 konnte ich mir nen neuen Job suchen!

    In der Print steht, wie toll doch die Drupa wird, welch schnelle Maschinen auf uns warten, die wie von Zauberhand auch noch autonom und mit noch weniger Personal laufen!

    Von mir aus…..Ich hab auf diese Weihberäucherung keinen Bock mehr!

    Was macht eigentlich unser Nachwuchs? Wie sieht es bei euch mit Auszubilden aus? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich sehe in meiner Firma nur noch Ü 50!


    Na ja….. es musste jetzt einfach mal raus 😉

  • Nachwuchs ist ein sehr trauriges Thema. Unser letzter Auszubildender, hat im letzten Sommer bestanden. Dieses Jahr haben wir keinen gehabt. Diesen Sommer fängt ein Mädchen an, als Drucker. Schon der Bewerbungsprozess gestaltet sich sehr schwierig. Leute bewerben sich, werden eingeladen, kommen nicht zum Gespräch. Leute die das Gespräch geschafft haben, wird Praktikum angeboten, wieder glänzen durch Abwesenheit. Praktikum nach erstem Tag abgebrochen. Junge Menschen, die der deutschen Sprache mächtig sind, scheint es gar nicht zu geben. Fast nur Flüchtlinge, oder Schulabbrecher, die ihren Namen tanzen können. Ich mache das jetzt auch fast 30 Jahre, so einen Bildungsstand wie im Moment habe ich noch nie gesehen. In meiner Lehre hat unser Meister, ganz woanders angefangen zu erklären, weil er einfach voraus gesetzt hat, das wir die grundlegenden physikalischen Dinge verstehen. Bogenmenge anhand der Bogenstärke berechnen. Prozentrechnung beim Farbemischen. Aufzugshöhen berechnen. Vergesst es das können die alle nicht.

  • Ich habe das Glück und arbeite nur noch am Tiegel und Cylinder😊 Wir sind dort zu zweit! Beide Ü60! Irgendwie weden wir beide nicht so richtig war genommen vom Rest…..Lebende Fossile eben😉!

    Wir beide haben jetzt schon Spaß, wenn wir im Ruhestand sind……wer soll das machen? 😳🙄

    Gut, Hexenwerk ist das ja nicht….. ein wenig Erfahrung ist sicher hilfreich! Wie schiesse ich die Form aus, damit ich beim Stanzen die nötigen Abstände und die richtige Anlage habe! Schneiden der Auflage, Termine einhalte….usw!

    Das alles ist nicht von heute auf morgen! Da hat doch keiner mehr Lust zu! Von der Bezahlung ganz zu schweigen……


    In der Print Online Ausgabe wird die HD 106XL zur Drupa vorgestellt! 21000 BG/h ! 150 Platten in der Stunde und 100 Mio Druck im Jahr!

    Um das alles zu leisten und zu schaffen, muss man gut strukturiert unterwegs sein! Dazu noch ein Druck/ Software Fachmann! Wer wird da ran geführt? Ich mach’s nicht mehr 😜

  • Zum Mangel an Auszubildenden in den Druckereien muss ich auch noch meinen Senf dazugeben:


    Ja, es interessieren sich nicht mehr so viele junge Menschen für den grafischen Weg. Einerseits ist die Zahl der Lehrverträge in den letzten zwanzig Jahren generell gesunken wegen geburtenschwacher Jahrgänge, andererseits stehen den Jungen mit guter schulischer Leistung heute andere, weitaus attraktivere Laufbahnen offen. Man beachte nur die stetig steigende Akademikerquote.


    Heute wollen junge Menschen Selbstverwirklichung, wollen beachtet werden, sich selbst darstellen und sich nirgends mehr festlegen, alles soll möglich sein, kein Weg verschlossen bleiben. Ist es aus dieser Sicht wirklich sooooo attraktiv, eine grafische Lehre zu beginnen, wenn der Drucker mehr und mehr nur noch eine "Bioschnittstelle" ist? Oder in der Druckvorstufe wird Kreativität im Beruf suggeriert, die Wirklichkeit ist jedoch, dass dieser Beruf ein technischer geworden ist und "Datenschrottveredelung" ein immer grösser werdender Anteil der Arbeit ist.


    Die Zeitung als Auslaufmodell, Massendrucksachen, welche niemand mehr im Briefkasten will, das Ende des papierenen Büros, Betriebsschliessungen - mit diesem Image sollen junge Leute für das Grafische begeistert werden?


    Druckereien könnten auch in der Öffentlichkeit werben, dass ohne Druck die reale Welt grau in grau wäre, wenn Plakate, Verpackungen, Bilder, Zeitschriften usw. nicht mehr gedruckt würden, dass Druckereien unverzichtbar sind für die Ausgestaltung unseres Lebensraums. Statt dessen wird plagiert, wenn wieder eine neue, noch schnellere, noch automatisiertere Maschine gekauft wird. Damit sind wohl nur die Hardcore-Maschinensexuellen für eine Druckerlehre zu gewinnen.


    Ein spezielles Beispiel für das Image des Druckers habe ich letzthin auf der Kirmes gesehen. "Hau den Lukas", heisst das Ding, an welchem man seine Kräfte messen kann. Mit viel Schlagpower fliegt der Laufkörper bis ganz nach oben an die Turmspitze. Dort seht dann geschrieben, dass man ein "Steiger" oder "Schwerathlet" sei. Fliegt der Laufkörper mit weniger Wucht nicht ganz nach oben, ist man immer noch ein "Bauarbeiter". Bei wenig Kraft, wenn der Laufkörper kaum hoch kommt, ist man hingegen ein "Baby", ein "Milchbubi" oder ein "Fräulein". Und jetzt kommts: Gleich über dem "Fräulein" folgt der "Drucker".


    Übrigens: In einer Druck-Verbandszeitschrift wird bereits 1934 über die Lehrlinge gelästert, dass diese nichts mehr Wert seien, faul, unzuverlässig, Nichtsnutze.

  • Also das mit dem Boxautomat ist ja wirklich witzig 😁


    Aber das gerade die Jungs von 1934 zu nichts nutze sind hat sich ja als gänzlich Falsch herausgestellt.Die Jungs haben sich doch von 1939 bis 1943 wirklich ganz gut geschlagen😉😆

  • Auszubildende sind nur noch billige Arbeitskräfte.

    Gestern den Lehrling im zweiten Lehrjahr gefragt ob er mal die Materialstärke mit der Bügelmessschraube messen könnte.

    Ende vom lied war das ich ihm diese erstmal erklären musste. Grausam 😐

  • Was macht eigentlich unser Nachwuchs? Wie sieht es bei euch mit Auszubilden aus? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich sehe in meiner Firma nur noch Ü 50!

    Ich habe vor 21 Jahren meine Ausbildung in der jetzigen Firma absolviert. Davor gab es 2 Auszubildene (gleichzeitig), die beide nicht bestanden haben.

    Seitdem gab es 2 angefangene und abgebrochene Ausbildungen. Sonst reicht eigentlich ein Tag Praktikum um zum Schluss zu kommen, dass der Beruf zu anstrengend ist.

    Aktuell haben wir tatsächlich sogar wieder einen Azubi. Die Hälfte der Zeit lässt er sich aber auch krank schreiben. Dass das nicht die nächste bestandene Ausbildung sein wird ist abzusehen.

  • Ein sehr trauriges Bild, aber auch für die Firma. Ich erinnere mich noch an unser Farbemischen bei der Abschlussprüfung. Wir waren drei Azubis, eigentlich alle ganz fit, nur Farbe mischen war uns allen dreien nicht in die Wiege gelegt. Naja hatten dann irgendwie was grünes, braunes und graues. Untereinander getauscht fertig. Sonst kam unser Ausbilder immer so halb 8, den Tag danach war er vor 6 da. Wartete schon auf uns. Er saß auch im Prüfungsausschuss. Noten waren 4,5,6. Vom mischen. Denn Anschiss werde ich mein Leben nicht vergessen, was wir denken wer wir sind. Wie er da steht, wenn seine Jungs sowas abliefern.

  • @ Dexter:


    "Die Jungs haben sich doch von 1939 bis 1943 wirklich ganz gut geschlagen😉😆" - warum nur bis 1943?!


    Scherz beiseite - zum Thema.


    Bei uns ist es ähnlich. "Normale" Bewerbungen kommen seit Jahren nicht mehr. Dazu werden die Maschinen immer hochgezüchteter und teurer. Aus meiner Sicht es es ein Trugschluss der Hersteller, zu glauben mit dieser Strategie Drucker ersetzen zu können. Das klappt vielleicht beim Onlinedrucker. Aber nie im hochqualiativen Akzidenzbereich oder im Verpackungssegment.


    Aber was tun?


    In Schulen gehen, Praktika anbieten, Berufsmessen, usw. bringt wenig, aber immerhin etwas. Ohne diese Aktivtäten hätten wir gar keinen Nachwuchs. Die besten "Ergebnisse" brachte das gezielte Ansprechen der eigenen Mitarbeiter bezüglich ihrer Kinder. Bedingung ist natürlich, das die Mitarbeiter sich wohlfühlen - sonst geht die Aktion nach hinten los.


    Grüße, Robert

  • Wenn ich ehrlich bin, ich war kein Wunderkind in der Ausbildung, so richtig um mich, hat sich keiner gekümmert! Ich stand meistens daneben und hab mir alles angeschaut! Hab eigentlich nur aus meinen Fehler gelernt und das waren jede Menge 😂

    Noch ein Beispiel! Hier in der Umgebung ist eine größerer Verpackungsdrucker! Alle Ü50! Der Betriebsleiter ist ein ehemaliger Auzubildener, den ich durch die praktische Abschlussprüfung im Betrieb gelotst habe…..der hatte echt keinen Plan gehabt damals!

    Jetzt hab ich noch einen gut bei ihm! Gefühlt alle 3 Wochen fragt er mich, ob ich Lust auf die Bobst Stanze habe! Die finden keine Leute und die, die da sind, gehen bald in Rente !

    Die Bezahlung stimmt aber leider nicht 😟

  • Ich hatte das Glück das im 2. Ausbildungsjahr die Bude zu machte! Das war mich , gerade 17 Jahre alt, eine schlimme Zeit! Keiner hat sich um mich gekümmert, die beiden Schichtleiter hingen nur in ihrer Bude rum und rauchten eine nach der anderen! Die Hilfskräfte aus den aller Herren Länder , waren sich untereinander nicht grün! Ewig Zank und Streitigkeiten!

    Ich hatte das Glück, in meiner Heimatstadt in einer kleinen Druckerei meine Ausbildung zu beenden! Da gab es ein „Schweizer Degen“ eine Vaterfigur für mich, der hat mich an die Hand genommen und war immer da , wenn was schief ging! Netter Mensch 😉

    Da hat es dann auch Klick gemacht bei mir! Hab dort den Beruf erlernt ! Nicht das ich in der Berufsschule strebsam gewesen bin…..aber es lief auf einmal.

    Der Lehrer fragte mal verdutzt im Unterricht, was denn mit mir passiert wäre 😂 Mir war’s unangenehm….. lief bis dahin immer weit unter dem Radar!

    Will sagen, es liegt nicht immer an dem Auszubildenden 😉

  • Nun seit zwei Jahren müssen die Auszubildenden in Ostfriesland nach Oldenburg zur Berufsschule.Es gab einfach zu wenig Auszubildende.Selbst HD und König und Bauer haben Probleme Auszubildende zu bekommen und vor allem das die dann auch bleiben.Die meisten gehen nach ihrer Ausbildung woanders hin und wechseln die Branche.Der Betrieb der mich damals " ausgebildet" wenn man das überhaupt Ausbildung nennen kann, war ein damals eine Top Druckerei in der Gegend und nun ein katastrophen Betrieb dem es schon seit 20 Jahren schlecht geht und die nächste Insolvenz angemeldet hat.

    Die Mediengruppe mit den 3 Buchstaben davor?

    Oldenburg ist ja fast wieder Luxus, dort war ich auch.

    Zuletzt waren die Optionen nur noch Blockunterricht im Harz oder in Bremen. Das hatte auch damals eine Anwärterin abgeschreckt.

  • Na da hätte ich mit meiner Ausbildung ja richtig Glück. Wir hatten in jedem Lehrjahr und Beruf 3 Stifte. Drucker, Verpacker und Buchbinder. Hatten ne Ausbildungsvertretung und das volle Betriebsrat Programm. Einmal im Jahr haben wir so'n Azubi Event gehabt. Mit allen Azubi die zur Firmengruppe dazu gehörten, so ca. 40. Mal in Berlin, Hamburg... In der Firma hatten wir ca. 2 mal im Monat Werksunterricht. Unser Ausbilder war nur Ausbilder und im Betriebsrat. Wir hatten ne Lehrwerkstatt mit Ner 1 Farben GTO mit Plüsch Feuchtwerk. Wir waren hauptsächlich als Helfer an den Maschinen eingesetzt. Kaffee und Brötchen habe ich in meiner Lehre vielleicht 3 mal geholt. Alles in allem sehr entspannt.