Nicht-Geschwindigkeitskompensierte Feuchtwerke

  • Hallo liebe Kollegen,


    wir haben von der Berufsschule Aufgaben bekommen und ich komme einfach nicht weiter, bzw. ich habe zwei Meinungen und ich weiß nicht welche richtig ist :D


    und zwar lautet die Aufgabenstellung wie folgt:


    Machen Sie eine Aussage welche Folgen ein nicht geschwindigkeitskompensiertes Feuchtwerk hätte, wenn der Drucker die Geschwindigkeit von 4.000 BG/h auf 10.000 BG/h erhöht.


    Mein Lösungsansatz wäre: Durch die höhere Fortdruckgeschwindigkeit, kommt es zum Schmieren, da die Ausgangsgeschw. (4.000 Bogen) beträgt und somit der Feuchtduktor langsamer läuft. Bei der Fortdruckgeschwingkeit von 10.000 Bogen muss der Feuchtduktor der Maschinengeschwindigkeit "angepasst werden" -------> höherer Duktorhub?

    Vielleicht liege ich auch komplett daneben :D


    Ich bedanke mich schonmal für Eure Hilfe

  • Hallo, eine interessante Fragestellung.

    Sowohl die Drehzahl des Farbduktors, wie auch die Drehzahl der Feuchttauchwalze etc. wird anhand ´in der Software hinterlegter Kennlinien´ der aktuellen Maschinengeschwindigkeit angepasst.Wer ohne Geschw.-Kompensation arbeitet wird sehr schnell feststellen, das auch die Farbgebung und Farbmenge drastisch absinkt, sobald die Geschw. derart erhöht wird.

    Im Feuchtwerk wird als erster Effekt der Feuchtfilm ´abbrechen´ sobald dieser Sprung in der Geschwindigkeit erfolgt. Die Druckplatte wäre dann nicht mehr vollständig ´gefeuchtet´ - ein Tonen und Schmieren setzt ein.

    Eine Farbe- Wasserbalance wäre somit nicht zu erreichen / ständiges Nachfeuchten und Erhöhung der Feuchtung notwendig / eine Druckstabilität kann nicht erreicht werden.

    Die Druchmesser der Farb- und Feuchtwalzen beruhen auf einer ´Kalkulation´ der Erbauer und anhand der Zylinderdurchmesser bzw. der gesamten Fläche der Druckplatte gemessen. Eine gleichmäßige Feuchtung, wie auch Einfärben der Druckplatte funktioniert aber nur dann erfolgreich, wenn alle Einstellparameter stimmen. Das bezieht sich auf die Justage der Walzen im Farb- und Feuchtwerk, wie auch der Zusammensetzung des Feuchtmittels und dem Schöpfvolumen der Feuchttauchwalze.

    Isopropylalkohol (IPA) wird zugesetzt , damit sich die Oberflächenspannung des Wassertropfens verringert und somit ein gleichmäßiger Feuchtfilm auf der Druckplattenoberfläche verteilt wird. Und hier führt eine fehlende Kompensation zu Veränderungen in der Oberflächenspannung des Feuchtfilms und damit ein ´abbrechen´des Films bzw. einem ´zerreisen´ oder ´aufbrechen´ dieser Schicht. Hier liegt der Hund begraben, meine ich.


    Solche Themen sollten häufiger in diesem Forum angesprochen werden und ich hoffe auf eine rege Beteiligung aller.(!)

  • Um den Gesamtprozess in all seiner Komplexität zu verstehen hier noch ein paar Ansätze.

    Fehlende Geschw.-Kompensation führt zu:

    • Herabsetzen der Grenzflächenspannung zwischen Druckfarbe und Feuchtwasser

    Das Benetzungsverhalten ist immer abhängig von der Wechselwirkung zwischen Druckplattenoberfläche und Feuchtmittel. Wasseraufnahmefähigkeit und Benetzung sind noch weitere Einflussgrößen


    Bei der Oberflächenspannung handelt es sich um die Kontraktionskraft zwischen den Molekülen, die innerhalb des Feuchtmitteltröpfchens wirkt und dafür sorgt, dass die Wassermoleküle miteinander verbunden bleiben.

    Wenn ein Tropfen Flüssigkeit auf ein festes Material aufgebracht wird, bildet sich am Berührungspunkt zwischen

    Tröpfchen und Festkörper (Druckplattenoberfläche) ein Winkel, welcher als Benetzungs- oder Kontaktwinkel bezeichnet wird. (Feuchtmittel mit einer hohen Oberflächenspannung haben einen größeren Kontaktwinkel, Bild)

    Analog zur Oberflächenspannung lässt sich die freie Oberflächenenergie als eine „Anziehungskraft“ beschreiben, die auf der Oberfläche eines Trägerstoffes wirksam ist und Flüssigkeitsmoleküle anzieht.

  • Danke für ausführliche Antwort 😊, ich hab auch meine Kollegen gefragt und die haben es einfach nicht gewusst, was mich eigentlich verwundert hat, ich meine wenn man mit 25 Berufsjahren Drucker ist, dann müsste man doch bescheid wissen und einem Lehrling das erklären können aber nun ja so ist halt jeder verschieden würde ich sagen 😅

  • Hallo,

    leider stelle ich regelmäßig fest, dass das Grundwissen in punkto ´Offsetdruck´ alles andere als zufriedenstellend ist.

    Aber gut, ich lebe davon und freue mich immer darüber wenn ich hilfestellung geben kann, in punkto Feuchtmittel, Justage und Geschwind.-keits-kompensationskurven. Die Optimierung der Druckmaschine, beginnend mit einer korrekten Justage der Walzen und der Komp.-Kurven gehört zu meiner täglichen Arbeit.

    Hier läßt sich einiges herausholen und Probleme im Druckprozess abstellen.

    Der Wissensstand der Drucker nimmt, meiner Meinung nach, kontinuierlich ab. Das liegt sicherlich auch an den ´vollautomatischen Systemen´ zur Regulierung von Passer und Farbe, aber auch in Bezug auf Wartung und Pflege sollte mehr Zeit investiert werden. Leider ist das nicht mehr so wie in den 1980er Jahren, in denen ich meine Lehre begonnen habe, wo jeder Drucker einmal die Woche Justage und Wartungsarbeiten durchführen konnte. Heute ist dafür einfach keine Zeit mehr.

    Eigentlich schade.

  • Print Instructor: Ist ja auch nicht mehr gewollt ! Der Drucker soll ja leider nur noch der Knöpfchendrücker sein. Das andere übernimmt dann gern der Service vom Druckmaschinen Hersteller 8o der sich auch nicht mehr gern in die Karten schauen lässt . Aber auch die Arbeitgeber trauen ihren Drucker diesbezüglich nichts mehr zu.

  • Typometer so ganz kann und will ich das nicht stehen lassen.

    Zu Deiner Aussage Drucker sollen nur noch Knöpfchendrücker sein. In meinem Betrieb kommst Du damit nicht weit. Leider wird in der Ausbildung ein wesentlicher Teil immer wieder verpennt bzw. überhaupt nicht mehr gelehrt und das ist die Wartung und Justage der Maschine. Wenn ich mir heutige Drucker so anschauen, da reicht es zum Teil gerade noch zum Gummituch wechseln. Komplette richtige Justage von Farb- und Feuchtwerken bekommen nur noch die wenigsten auf die Reihe. Logischerweise können diese Drucker auch kaum mehr Rückschlüsse ziehen wenn ein Problem im Farb- bzw. Feuchtwerk sich ausbreitet. Und das sind nicht immer nur die jungen Drucker leider auch bei den gestandenen Drucker haben hier zum Teil einige doch ordentliche Defizite und rufen nach dem Techniker des Herstellers. Sorry aber das kann doch nicht war sein. Was haben die denn alle gelernt? Putzlappen falten? Pausenbrote schmieren? Waschmittel holen oder Farbe nachfüllen? Dann gibt es ja noch die Spezies die nicht Lesen wollen was in den Bedienungsanleitungen der Hersteller geschrieben steht.

    Eine gepflegte Maschine macht doch einfach mehr Spaß an der Arbeit. Gut gepflegt = weniger Ärger und Stress.


    Beste Grüße

    Michael

  • Wild-Thing68 das stimmt schon in einer gewissen Weise was du sagst, ich für meinen Teil bleibe immer am Ball und nehme in meiner alles mit an Wissen was ich bekommen kann, zum Glück hab ich noch einen Joker den ich auspielen kann (zumindest in der Theorie), mein Vater ist Instruktor bei Heidelberg, und er hat mir schon oft wo es in der Theorie geklemmt hat, mir geholfen :D, ich finde es auf jeden Fall echt gut, dass es so ein Forum gibt wo einem auch geholfen wird und gemeinsam versucht wird Lösungsansätze zu finden

  • ich weiß es ja Felix, hab den Thread allerdings gestern erst gesehen,

    geschwindigkeitskompensierte Feuchtwerke gibt es ja schon einige Jahre länger

    und entsprechend dem muss man sich an der Maschine damit auseinander setzen

    Wenn du von 4000 auf 10K hoch gehst ist ja logisch dass die Farbe drastisch

    abfällt und der Feuchtfilm reisst, sofern du ein nicht geschwindigkeits kompensiertes Feuchtwerk hast,

    hast du das regelt sich das selbst ein.


    Hab meine Ausbildung 1977 begonnen, da lernst du alles noch von der Pike auf,

    spätere Maschinentypen die bessere Ausstattung hatten (geschw. kompensiertes Feuchtwerk z.B.)

    frisst du regelrecht in dich rein, weil du froh warst dass du die eine oder andere Sache

    nicht mehr manuell Regeln musstest, trotzdem muss du schon wissen was passiert

    wenn du von 4000 auf 10.000 /h hoch gehst und Top justierte Farb- und Feuchtwerke

    hast.

    Die Oberflächenspannung seitens des Feuchtfilms reisst, bricht ab .. tonen und schmieren ist die Folge,

    bringst aber nicht mehr frei, manche fahren dann Wasser ohne Ende, Überemulsion ist die Folge,

    kannst abrakeln usw.


    Meines Erachtens musst DU das wissen wenn du an diesen Maschinen arbeitest, genau so wie die

    richtige Zusammensetzung deines Zusatzes mit der Farbe, das muss harmonieren, justieren

    gehört auch dazu, Gummitücher sollten auch darauf abgestimmt sein.

    Service und Wartung gehört auch zum fertigen Drucker, musst ja wissen was Sache ist

    sollte ein Problem auftreten und dahin arbeiten dass du was Wartung angeht immer Top aufgestellt bist,

    lässt einiges an Problemen die ohne zwangsläufig kommen egalisieren.

    .. alles in allem ist der Job durch die Top ausgestatteten Maschinen nicht leichter geworden,

    Du selbst musst deutlich mehr an Wissen zu legen sonst funzt das nicht....


    So genug geschrieben zu diesem Thema das alle Gesellen/Ausbilder wissen sollten, denn wenn die das

    schon nicht wissen kannst du nicht richtig und gewissenhaft eine Ausbildung für einen jungen Menschen

    betreiben


    In diesem Sinne alter Freund

  • Habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass ich bei drasstischer Geschwindigkeitserhöhung manchmal bald wegschwimme vor lauter Wasser an einigen Maschinen. Stimmt dann hier was nicht an der Geschwindikeitsanpassung; oder kann es nicht auch sein, dass durch schnellere Zylinderumdrehungen die Platte

    weniger Luftkontakt / Verdunstung hat?

    Ich fahre das Wasser dann meist etwas zurück; man merkt doch, wann man an der Schmiergrenze ist.

  • Acid Green

    Hat den Titel des Themas von „nicht geschwindikeitskompensierte Feuchtwerke“ zu „Nicht-Geschwindigkeitskompensierte Feuchtwerke“ geändert.
  • Servus !


    Nicht-Geschwindigkeitskompensierte Feuchtwerke sind meiner Meinung nach Relikte aus der alten

    Zeit.

    Das waren damals die Heberfeuchtwerke ( Speicherfeuchtwerk) mit Schlauchüberzieher und 3M Bezug.Diese Maschine konnten nicht so schnell die Fortdruckgeschwindigkeit erreichen.
    Alkoholzusätze (z.T.im Feuchtmittelzusatz) war an den Maschinen auch keine Lösung weil diese sich zu schnell verflüchtigten.

    Fakt ist und da schließe ich mich meinen Vorschreibern an, ist die Wechselnde Oberflächenspannung auf der Druckplatte.Die Filmfeuchtwalze ( Chromewalze) soll dort eine Feuchtfilmabriss durch die Geschwindigkeits übersetzung im Fortdruck verhindern.Daher ist eine optimale Justage im Feuchtwerk das a und o.


    Gruß und ein schönes Pfingstwochende.


    Maik


    Drucker aus Leidenschaft