aus Main-Post vom 04.08.2015
Phoenix zieht in Augsburg die Notbremse
Kaum ist die „Hochzeit“ zweier traditionsreicher Druckunternehmen
Stürtz (Würzburg) und Himmer (Augsburg) vollzogen, da ist die
Euphorie verflogen und es gibt – um im Bild zu bleiben – Streit um
den „Ehevertrag“, dass die Fetzen fliegen: Offenbar hatte die
Firmenleitung in Würzburg die Notbremse gezogen: Alle
Telefonanschlüsse nach Augsburg, E-Mail Verbindungen und die
Leitung zur Übertragung von Produktionsdaten seien von der
Zentrale in Würzburg aus gekappt, eine Weiterarbeit in Augsburg
nicht möglich, meldete die Gewerkschaft ver.di. 80 Beschäftigte
stünden auf der Straße.
Die hätten sich in einer Betriebsversammlung in Augsburg klärende
Worte vom früheren Himmer-Vorstand Markus Fischer gewünscht. Doch
der hatte sich krankgemeldet und ist in der Geschäftsführung seit
31. Juli gar nicht mehr tätig.
Stattdessen
wurden die Beschäftigten der Phoenix Print Augsburg von
Geschäftsführer Ronald Hof aus Würzburg informiert: Beim
Amtsgericht Augsburg sei ein Antrag auf Insolvenz gestellt
worden. Hintergründe erläuterte Unternehmenssprecherin
Friederike Sauerbrey am Dienstag auf Anfrage: „Die Phoenix Print
Augsburg GmbH hat am 4. August einen Eigenantrag auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht Augsburg
gestellt,“ schrieb sie.
Nötig sei das geworden, nachdem einer der beiden zu Phoenix
fusionierten Partner, die Augsburger Himmer AG, vertraglich
vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Sie
habe „die Summe von 1,65 Millionen Euro rechtswidrig entzogen“,
sagt die Unternehmenssprecherin. Nach Informationen der Redaktion
ist in zwei Schreiben von Anwälten aus Würzburg darüber hinaus von
weitere 900 000 Euro die Rede, die von Fischer gefordert wurden.
Das erklärt, warum die Gewerkschaft ver.di gar von 2,5 Millionen
spricht.
Die Mittel seien „nachweislich an Himmer geflossen“, sagt
Sauerbrey. Trotz Aufforderung seien sie nicht an Phoenix Print,
die Firmenspitze in Würzburg, gezahlt worden. Die
Schwestergesellschaft Phoenix Print GmbH in Würzburg sei „von dem
Insolvenzverfahren nicht betroffen“. Man blicke „ungeachtet des
Rückschlags“ und der „persönlichen Enttäuschung positiv in die
Zukunft“.
Stürtz hatte lange um sein Überleben kämpfen müssen. Große
Hoffnung setzte man seit 24. April in die Fusion mit dem ebenso
traditionsreichen Druckhaus Himmer in Augsburg. Gemeinsam hatte
man am Würzburger Standort Phoenix Print gegründet. Sauerbrey
kündigte damals an, „zwei seit rund 180 Jahren etablierte
Offsetdruckereien zusammenzuführen und um eine innovative,
leistungsfähige Digitaldruckerei zu erweitern“. Das Unternehmen
sollte weiterhin an den zwei Standorten unter anderem Bücher,
Magazine und Kalender produzieren. Ziel war damals, gemeinsam die
Krise meistern, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Synergien
zu schaffen.
Die Gewerkschaft übt harte Kritik an der „Notbremse“ der
Würzburger. „Ein solches Vorgehen haben wir noch nie erlebt“, sagt
ver.di-Sekretär Rudi Kleiber. Sauerbrey hielt dagegen: Die Systeme
hätten nach dem Insolvenzantrag getrennt werden müssen, um
Kundendaten sicherzustellen und Aufträge zu erledigen.