Derreen Print fragte mich diese Woche, woher das Reflexblau eigentlich seinen Namen hat. Ihr werdet an der Antwort merken, welchen Spaß dieses Thema machen kann. Herzlichen Dank für diesen Vorschlag.
Frage: Woher hat das Reflexblau seinen Namen, und was ist es eigentlich?
Meine Antwort:
Der Markenname Reflexblau stammt von einem früheren Pigmenthersteller. Er wurde als Gattungsbegriff wie bei Tesafilm von vielen übernommen. Das gleiche Pigment PB 61 (Color Index Pigment Blue 61) gab es von einem anderen Hersteller unter dem Namen Alkaliblau. Auch PANTONE hat den Namen für eine entsprechend pigmentierte Mischgrundfarbe einfach übernommen.
Reflexblau-Drucke zeigen einen ganz besonderen optischen Effekt, das Bronzieren (Achtung Fachsprache: bitte die Definition der Koloristen verwenden). Damit bezeichnen wir einen rötlichen Lüster im Schräglicht, eine Art Reflex, den reflexblaue Drucke und Drucke von Tiefschwarz haben, wenn es mit Reflexblau geschönt ist. Daher kann der Markenname kommen.
Der Effekt ist nicht leicht berechenbar und nur durch eine Lackierung unterdrückbar. Viele Farbchemiker, Wissenschaftler der Pigmentindustrie und Messgerätehersteller haben an diesem Thema gearbeitet. Ausgerechnet ein Student der Druck- und Medientechnik in Wuppertal, M. Prinzmeier, hat 2009 in seiner Bachelor – Thesis endlich eine physikalisch plausible Hypothese aufgestellt. Er hat den Effekt experimentell noch vom rötlichen Blau auf den gesamten Farbbereich ausgeweitet.
Das Pigment und die damit hergestellten Farben sind beliebt und auch berüchtigt.
Beliebt: Es ist unter den Buntpigmenten besonders farbstark und noch bezahlbar. Seine Färbungskraft hat es zum Standard-Schönungspigment (tuning) von Schwarzfarben werden lassen. Alle Alternativen mit besseren Echtheiten sind viel teurer und deutlich weniger farbstark. Im Bereich zwischen Blau und Rot gibt es keine bezahlbare Alternative und selbst mit Geld in der Hand nichts mit dieser Farbkraft.
Berüchtigt: Beim Farbhersteller fangen die Probleme an. Wegen der Feinteiligkeit ist es ganz schwer in Bindemittel einarbeitbar. Und so liegt der Hauptverbrauch noch immer bei Flushpasten. Das sind umgearbeitete Filterkuchen aus der Herstellung, die für die Verwendungszwecke Wasserfarben, Lösemittelfarben oder pastöse Farben speziell eingerichtet werden müssen. Es gibt das Pigment zwar in Pulverform. Dabei ist es aber so schlecht dispergierbar, dass man die rheologisch äußerst unangenehme Einarbeitung der Flushes vorzieht.
Beim Drucker und beim Endkunden geht es weiter. Die Echtheiten sind sogar im Offsetdruck nicht ohne Tücken: Was nützt uns die Säureechtheit, wenn es nicht gegen Alkali stabil ist? Eine nachträgliche Lackierung mit Dispersionslacken ist ein riskantes Unterfangen, besonders wenn geschönte Schwarzfarben gerastert sind. Und das ist ja der Normalfall. Absolut tödlich wirkt der Farbwerks - Dispersionslack, weil der noch alkalischer wirkt als sein Lackierwerks-Bruder. Und eine Lösemittelechtheit gibt es nur im ganz geringen Maße; da ist schon eine UV-Lackierung riskant.
Die Lichtechtheit ist nur mittel (3 von 5), also auch nur Kompromiss. Als niedrigprozentige Mischkomponente macht er in Mischfarben „helle“ Freude. Mein spektakulärster Fall war einmal eine dunkelblaue Sonderfarbe - flächig auf einem Plakat. Damals wurden die oft auch noch mit hochalkalischen Klebern angebracht. Diese Flächen blichen in großen Flecken und Streifen aus, wo die Kampagne für das Versandhaus doch 6 Wochen dauern sollte. Ein Massaker für den Drucker.
Dass Reflexblau die oxidative Verfilmung im Bogenoffset stören kann, wird in der Literatur erwähnt. Ich habe dies selbst nie nachweisen können und vermute, dass hier ein Missverständnis vorliegt. So intensiv gefärbte Drucke färben eben leichter ab als Gelbs. Und mechanische Schwächen von Drucken werden gerne schnell der Verfilmung angelastet.
Reflexblau gehört zu einer der interessantesten Farbstoffklassen in der Chemie, den Tri-phenyl-methan-Abkömmlingen. Die Mutter dieser Moleküle ist ein Methan-Molekül, bei dem drei H-Atome durch Benzolringe ersetzt wurde, s. Skizzen. Zu ihnen gehören auch die Fanal-Pigmente, ebenfalls ein Markenname für farbreine und farbstarke Blau- und Violettpigmente mit problematischen Echtheitsschwächen.
Mit den passenden Erweiterungen (Substituenten) erhalten wir den bekannten pH-Indikator Phenolphthalein, der im sauren Bereich glasklar farblos ist und oberhalb pH 10 schlagartig sein intensives Rot zeigt. Den Unterschied macht ein winziger chemischer Eingriff, der vollkommen umkehrbar ist. Für Schau-Experimente ein dankbares Beispiel. Andererseits kann an es auch als Abführmittel einsetzen.
Ein andres Derivat, Fluoreszein, leuchtet unter UV-Bestrahlung noch in hoher Verdünnung intensiv gelbgrün. Es wurde wegen dieser starken Wirkung verwendet, um unterirdische Wasserläufe nachzuverfolgen.
Kristal-violett-lacton, CVL, ist einer der wichtigsten Farbstoffe in Durchschreibepapieren. Seine farblose Lösung steckt in den Mikrokapseln der Bogenrückseiten (cb), wird durch den Druck des Kugelschreiber herausgedrückt und schlägt beim Kontakt mit einem passenden Emtwicklerpigment der CF-Seiten zu intensivem Violett um.
Fuchsin und Eosin sind andere bekannte Fälle, die in Färbetechniken und Medizin Verwendung finden.
Viele Grüße & ciao
Inkman