Welche Funktion hat Fachsprache?
1. Punkt
Wir Fachleute kreieren Fachausdrücke, wenn wir einen treffenden Ausdruck suchen, der sonst zu umständlich beschrieben werden müsste. Er soll aber ohne lange Umstände einwandfrei für Fachleute zu verstehen sein. Dabei ist es weitgehend egal, was er umgangssprachlich bedeutet. „Konventionelles Feuchtwerk“ ist so einer. Ich habe in meiner Lehrzeit mal „herkömmliches Feuchtwerk“ gesagt. Keiner wollte mich verstehen. Das war auch richtig so, weil der Fachausdruck sofort und ohne Grübeln dem anderen Fachmann einen Inhalt eindeutig vermittelt.
Wer das hier anzweifelt, soll sich mal mit einem Mediziner unterhalten. Aber auch Maschinenbauer in unserer Industrie sind hier verwendbar.
Die meisten sind sich gar nicht bewusst darüber und glauben, Sie haben einfach recht, weil sie ja vom Fach sind. Ich hatte da mal eine interessante Unterhaltung in der Grundschule unserer Kinder mit einem Gynäkologen (1983), der als Vater einer Tochter dort war. Da sollten den Eltern Informationen zur Sexualaufklärung vorgestellt werden. Und dazu gehörte das Wort „Scheide“. Der Mann wollte allen Ernstes statt dessen „Schamlippen“ haben, weil man die Scheide von außen gar nicht sehen könne. Und das damals in einer katholischen Grundschule im Rheinland...
Wir sollten also den Fachleuten ihre Sprache lassen. Und dort, wo wir Fachleute sind, nicht den Laien oder Fachfremden Vorschriften machen. Was nützte es dem Arzt, wenn sein Patient vor Ehrfurcht und Fremdwörtern erstarrt, ihn aber nicht versteht?
2. Punkt
Besondere „Fachwörter“ werden auch mal aus Wichtigtuerei (auch Werbung genannt) erschaffen. Dann müssen sie fremdländisch klingen. Englisch am besten - oder Latein pur oder gar Latein auf Englisch; das macht noch mehr Eindruck. Abkürzungen sind wie in der allgemeinen Werbung auch beliebt. Auch wenn sie überflüssig sind, weil sie nicht die Kommunikation fördern, also den Informationstransfer zwischen Fachmann A und B: low carb anstelle Eiweiß-Diät, Ink Jet anstelle Tintenstrahldruck, POI anstelle Verkaufsraum usw.
3. Punkt
Oder Hilflosigkeit und Mangel an Fachkenntnissen. Man kennt sich nicht genau aus, hat aber eine Erscheinung, die man weder kennt noch versteht. Dann sucht man vielleicht gar nicht erst den Rat Erfahrener. Man traut sich nicht und vergibt einfach einen neuen Namen. Der CTI (critical temperature index) beim Tonen im wasserlosen Offsetdruck und Framing finde ich hier gut passend. Sie beschreiben das Problem überhaupt nicht, geben ihm aber Wichtigkeit. Und die hebt sie in die „neuen“, also neu zu verstehenden Erscheinungen. Bloß, weil man sich nicht traut, gute Fachleute zu fragen.
Dieses Forum ist ein klasse Ort, sich Unterstützung zu holen, wenn man selbst nicht weiter weiß. Nicht jeder hat in einer großen Firma gelernt, die aufgeschlossen organisiert ist und den Austausch von Fach - Know How wirklich unterstützt.