Beitrag 174, Fachsprache allgemein

  • Welche Funktion hat Fachsprache?


    1. Punkt

    Wir Fachleute kreieren Fachausdrücke, wenn wir einen treffenden Ausdruck suchen, der sonst zu umständlich beschrieben werden müsste. Er soll aber ohne lange Umstände einwandfrei für Fachleute zu verstehen sein. Dabei ist es weitgehend egal, was er umgangssprachlich bedeutet. „Konventionelles Feuchtwerk“ ist so einer. Ich habe in meiner Lehrzeit mal „herkömmliches Feuchtwerk“ gesagt. Keiner wollte mich verstehen. Das war auch richtig so, weil der Fachausdruck sofort und ohne Grübeln dem anderen Fachmann einen Inhalt eindeutig vermittelt.


    Wer das hier anzweifelt, soll sich mal mit einem Mediziner unterhalten. Aber auch Maschinenbauer in unserer Industrie sind hier verwendbar.

    Die meisten sind sich gar nicht bewusst darüber und glauben, Sie haben einfach recht, weil sie ja vom Fach sind. Ich hatte da mal eine interessante Unterhaltung in der Grundschule unserer Kinder mit einem Gynäkologen (1983), der als Vater einer Tochter dort war. Da sollten den Eltern Informationen zur Sexualaufklärung vorgestellt werden. Und dazu gehörte das Wort „Scheide“. Der Mann wollte allen Ernstes statt dessen „Schamlippen“ haben, weil man die Scheide von außen gar nicht sehen könne. Und das damals in einer katholischen Grundschule im Rheinland...


    Wir sollten also den Fachleuten ihre Sprache lassen. Und dort, wo wir Fachleute sind, nicht den Laien oder Fachfremden Vorschriften machen. Was nützte es dem Arzt, wenn sein Patient vor Ehrfurcht und Fremdwörtern erstarrt, ihn aber nicht versteht?


    2. Punkt

    Besondere „Fachwörter“ werden auch mal aus Wichtigtuerei (auch Werbung genannt) erschaffen. Dann müssen sie fremdländisch klingen. Englisch am besten - oder Latein pur oder gar Latein auf Englisch; das macht noch mehr Eindruck. Abkürzungen sind wie in der allgemeinen Werbung auch beliebt. Auch wenn sie überflüssig sind, weil sie nicht die Kommunikation fördern, also den Informationstransfer zwischen Fachmann A und B: low carb anstelle Eiweiß-Diät, Ink Jet anstelle Tintenstrahldruck, POI anstelle Verkaufsraum usw.


    3. Punkt

    Oder Hilflosigkeit und Mangel an Fachkenntnissen. Man kennt sich nicht genau aus, hat aber eine Erscheinung, die man weder kennt noch versteht. Dann sucht man vielleicht gar nicht erst den Rat Erfahrener. Man traut sich nicht und vergibt einfach einen neuen Namen. Der CTI (critical temperature index) beim Tonen im wasserlosen Offsetdruck und Framing finde ich hier gut passend. Sie beschreiben das Problem überhaupt nicht, geben ihm aber Wichtigkeit. Und die hebt sie in die „neuen“, also neu zu verstehenden Erscheinungen. Bloß, weil man sich nicht traut, gute Fachleute zu fragen.


    Dieses Forum ist ein klasse Ort, sich Unterstützung zu holen, wenn man selbst nicht weiter weiß. Nicht jeder hat in einer großen Firma gelernt, die aufgeschlossen organisiert ist und den Austausch von Fach - Know How wirklich unterstützt.

  • Hi inkman,

    Hab beim lesen Deines Beitrags laut lachen müssen! Respekt, das Thema so präzise in Worte zu fassen!

    Insbesondere Punkt 2 und 3.

    Müsst man sich fast ausdrucken, und hie und da manchen Fachwörter-Rezitierern in die Hand drücken.

    Mit dem Beitrag hast mein Tag gemacht.

    Danke Schönes WE

  • Hallo inkman, Punt 2 und 3 deines Beitrags kann ich so unterstützen, bei dem 1. habe ich jeoch einige Bedenken.

    Bei Fachausdrücken sollte mann immer beachten wann und wodurch sie entstanden sind. Mein Interesse liegt im Bereich Fachsprache der Buchdrucker.

    Obwohl herkömmlich und konvetionell im Prinzip die gleiche Bedeutung haben, hat sich die Fachwelt für konventionell entschieden. Das ist aber heute kein Thema mehr, denn wer kennt sich heute noch mit Offsetmaschinen mit Wischwalzen aus?

    Viele "Fachausdrücke" werden heute oft von Quereinsteigern ohne entsprechenden Hintergrund kreiert, für mich sind es kreative Fehlleistungen. Z.B. ist "digitaler Buchdruck" so ein Ausdruck.

    Das durchaus interessante Gespräch mit dem Gynäkologen über die weibiche Geschlechtsorgane möchte ich hier nicht weiter vertiefen, da ich den genauen Verlauf des Gespräches nicht kenne. Meine Erfahrung: Lehrer sind oft beratungsresistent.

    Fachsprache und unsere Deutsche Sprache gehen Hand in Hand und daß unser "Kulturgut Sprache" den Bach herunter geht ist doch eine Tatsache und da ist auch unsere Fachsprache betroffen. Da nenne ich nur das Anfügen eines "s"zur Bildung einer Mehrzahl oder die falsche Verwendung der Zeitformen Vergangenheit und Zukunft. Haben denn Alle bei dem Tema in der Schule gefehlt?

  • Hallo Nordwind,


    es handelt sich um Aufbauen außerhalb des Formates auf dem Gegendruck. So war es in einem der Beiträge beschrieben.

    Ich vermute, dass es von to frame something, etwas einrahmen, einfassen, abgeleitet ist. Hier sind auch schon orthografisch abenteuerliche Schreibweisen aufgetaucht, wahrscheinlich Englisch in deutschem Dialekt.

    Ich finde es übrigens einen Witz, ausgerechnet das Englische hier zu verwenden. Ich habe mal nach englischen Ausdrücken für unsere Fehler - Fachausdrücke gesucht. Das ganze Fachchinesisch ist in Deutsch deutlich stärker ausgebildet und diversifiziert als im Englischen. Überhaupt nmacht es große Mühe, hier überhaupt Fachwörterbücher zu finden.

    Wir sind eben doch ein ziemlich kleiner Markt auf der Welt.


    Viele Grüße & ciao

    Inkman