Deutscher Journalistenverband und ver.di kritisieren
Gehaltskürzungen und miese Honorare bei der Magdeburger Zeitung.
Gewerkschafter wurde Zutritt verweigert
Zeitung füllen zum Dumpinglohn: Seit Jahren bemängeln die Gewerkschaften
ver.di und Deutscher Journalisten-Verband (DJV) die Arbeitsbedingungen
bei der im nördlichen Sachsen-Anhalt verbreiteten Volksstimme.
Das kümmert die Geschäftsführung der Tageszeitung, die dem Hamburger
Verlagskonzern Bauer Media Group gehört, offenbar wenig. Als sich
DJV-Landeschef Uwe Gajowski am Dienstag mit dem Betriebsrat über die
Situation beraten wollte, verweigerte man ihm den Zutritt. Gajowski
sprach am Mittwoch gegenüber jW von einem »Gesetzesverstoß, den ich so
noch nicht erlebt habe«.
»Ich habe mich am Tor vorgestellt und gesagt, daß ich zur
Betriebsratssitzung möchte«, konstatierte der Gewerkschafter. Der
Wachmann habe allerdings gemeint, er müsse erst in der Chefetage
anfragen. »Dort hat man ihn offenbar aufgefordert, mich des Geländes zu
verweisen.« Betriebsratschef Winfried Borchert habe die Situation dann
telefonisch klären wollen. »Doch plötzlich war niemand mehr von
Geschäftsführung oder Chefredaktion zu erreichen«, so Gajowski.
Politikredakteur Borchert resümierte gegenüber dem MDR: »Daß mit Druck
gegen den Betriebsrat gearbeitet wird, erleben wir schon länger. Daß
aber eine bei uns vertretene Gewerkschaft ausgesperrt wird, überrascht
und macht uns betroffen.«
Hintergrund des Konflikts sind Gehaltskürzungen, niedrige Honorare für
freie Mitarbeiter und die Gründung von immer neuen
Redaktionsgesellschaften. »Die Zeitung wird derzeit von 22 verschiedenen
Unternehmen produziert, ständig kommen weitere hinzu«, sagt Gajowski.
»Die Angestellten, die dahin ausgelagert werden, können nicht mehr
mitbestimmen und werden weit untertariflich entlohnt.« Seiner
Einschätzung nach spielt das Bauer-Blatt mit der Angst der
Beschäftigten. »Mitarbeitern wird oft spontan gekündigt. Jüngst betraf
das mehrere Redaktionsassistentinnen.« Zwar biete die Volksstimme
ihnen neue Arbeitsverträge an, jedoch zu weitaus schlechteren
Konditionen. Nach Gajowskis Informationen plant die Geschäftsführung,
die Einkommen in den nächsten zwei, drei Jahren um 50 Prozent
abzuschmelzen. Schon jetzt würden neue Redakteure zu schlechteren
Bedingungen eingestellt.
Besonders von Lohndumping betroffen sind offenbar freie Mitarbeiter.
Mario Müller (Name geändert) schreibt für eine Lokalredaktion. Sein Geld
bekommt er von einer externen Agentur, wie er im Gespräch mit jW
erklärte. »Im Prinzip arbeite ich jeden Tag, auch am Wochenende. Wenn
ich meine Fahrkosten abziehe, liegt mein Einkommen bei unter 1000 Euro
monatlich.« Er selbst werde nach dem in Millimetern berechneten Umfang
seiner Artikel bezahlt. Daneben gebe es Freie, die Zeilenhonorare
bezögen. »So genau blicke ich da nicht durch, ich weiß aber, daß es
denen noch schlechter geht.« Gewerkschafter Gajowski erläutert: »Die
Inhalte stammen zum größten Teil von Freien. Die Redakteure basteln die
Zeitung dann zusammen.«
Auch hergestellt wird die Volksstimme
mittlerweile von Billigkräften. Im März 2011 hatte der Bauer-Konzern
alle Drucker entlassen und den Auftrag an ein Unternehmen weitergegeben,
das Leihkräfte einer eigens dafür gegründeten Firma beschäftigt (jW
berichtete). Ver.di-Fachbereichsleiter Michael Kopp sagte am Mittwoch zu
jW: »Das läuft bis heute so. Die neuen Mitarbeiter drucken die Zeitung
in Barleben für rund zwei Drittel des tariflichen Stundenlohns von etwa
15 Euro. Die fehlenden Zulagen eingerechnet, verdienen sie nur noch die
Hälfte«, so Kopp.
Sowohl der Bauer-Konzern als auch die Volksstimme-Chefredaktion
äußerten sich nicht zu den Vorwürfen. Entsprechende Anfragen von jW
blieben bis zum Redaktionsschluß am Donnerstag unbeantwortet.
Der DJV zieht nun rechtliche Schritte gegen die Volksstimme
wegen Aussperrens von Gewerkschaftern in Erwägung. Allerdings berate
der Verband derzeit noch mit dem Betriebsrat. Dieser wolle erst eine
Anhörung zum Landespressegesetz im Magdeburger Landtag am 5. Dezember
abwarten. »Da sind wir dabei und werden das Thema anbringen«, so
Gajowski.