Ist es möglich, dass eine einmal getrocknete Offsetfarbe von selbst wieder erweicht?
meine Antwort:
Gelegentlich wird so etwas beobachtet. Bei näherer Kenntnis ist dies nur in einem Sinne möglich: Die oxidative Verfilmung, eine Radikalreaktion, läuft in Tausenden, miteinander konkurrierenden Reaktionsrichtungen. Dazu gehören nicht nur verknüpfende, also konstruktive Wege, sondern auch Brüche, also destruktive. Wartet man viele Jahre, dann überwiegen die zweiten: Der Druck wird wieder spröde und brüchig.
Es ist sehr, sehr schwer, diese Abbaureaktionen so zu beschleunigen, dass ein anfangs fest getrockneter Druck in zwei, drei Tagen wieder spröde (und damit z. B. scheuerschwach) wird. Es sein denn, die Druckfarben wurden mit einer Überdosis Trockenstoff versehen, also übersikkativiert. Das macht nicht ein normaler Farbhersteller, weil er diese Dinge kontrolliert. Es gibt aber immer noch Drucker, die nicht nur aus Angst stärker pudern als nötig, sondern zur fertigen Farbe routinemäßig noch Trockner hinzugeben. Zum Glück sind die Trockenpasten so verdünnt, dass hauptsächlich eine Verdünnung der Farbe zu fürchten ist, damit ein Anwender ohne seriöse Dosiertechnik kein Unheil in der Trocknung anrichten kann.
Es gibt sogar den Trick, eine Farbe so wegschlagen zu lassen, dass die Drucke schon nach ein bis zwei Stunden schneidbar sind, weil der Farbfilm fest und elastisch ist. Für Innenplakate und Aushänge kann das sinnvoll sein. Nach vier Tagen können diese Drucke dann durch das restliche Wegschlagen ihre Elastizität verloren haben und Schwächen zeigen.
Andere Dinge sind aber durchaus möglich - und weit wahrscheinlicher als eine Wiedererweichung: bei einer Veredelung oder buchbinderischen Verklebung werden Stoffe eingesetzt, die in Offsetbindemittel hinein migrieren können, also z. B. Mineralöle.
Wenn das alles nicht vorliegt, ist ein nachträgliches Erweichen nicht verstehbar. Es wird eher wahrscheinlich, dass ein Beobachtungsfehler vorliegt. Z. B. kann der Drucker selbst erst einmal finden, dass die Drucke in Ordnung sind. Und wenn sein Kunde danach plötzlich eine schlechte Scheuerfestigkeit reklamiert, ist er möglicherweise bereit, an das Wunder der nachträglichen Erweichung zu glauben, weil die Scheuerfestigkeit nicht wirklich objektiv messbar ist.
Eine ganz andere Lage ergibt sich, wenn ein Probebogendruck sich frisch problemlos z. B. folienkaschieren lässt, die ganze Auflage zwei Wochen später jedoch Verbundschwächen bringt. Dies gehört jedoch in ein anderes Kapitel, Stichwort Benetzung, Oberflächenspannung.