Primärverpackung Laborergebnis

  • Liebe Druckergemeinde


    Wir drucken seit vielen Jahren für einen grossen Bonbon-Hersteller B2B-Verpackungen in Kleinauflagen (>60'000 Ex.).
    Es handelt sich dabei um eine Primärverpackung, in die dann Bonbons direkt abgefüllt werden.


    Wir drucken auf einen Incada Exel PE beschichtet , 255 g/m2 Karton mit migrationsarmer Farbe (heute von Sun Chemical / beim Druck der Testverpackung von Huber Groupe). Ausserdem verwenden wir einen Dispersionsglanzlack von Weilburger (als Lebensmittelecht zertifiziert). Für das Feuchtwasser haben wir eine Osmoseanlage.


    Nun erreichte uns ein Mail in dem geschrieben wurde, dass im Rahmen einer Stichprobe eine Verpackung die wir im November 2015 (!) gedruckt haben, zur Prüfung ins Labor gegeben wurde. Dabei wurde festgestellt, das der Toleranzwert der gesättigten Kohlewasserstoffe um 0,8 mg/dm2 überstiegen wird. (Auszug des Laborberichtes findet ihr unten). Die Verpackungen sind gesundheitlich nicht bedenklich, aber uns wird nahe gelegt diesen Wert zu vermindern...


    Da ich leider kein Chemiker bin, ist es mir ein absolutes Rätsel wo diese "gesättigten Kohlewassserstoffe" herkommen und vor allem was ich tun kann um den Wert zu vermindern.


    Seit dem Druck dieser Verpackung haben wir nur den Farblieferanten gewechselt.


    Ich bin Euch sehr dankbar für jegliche Hinweise (vieleicht kennt dies der eine oder andere). Ich hoffe auch Inkmen liesst meinen Beitrag und kann einmal mehr eine super Erklärung geben.


    Euch allen einen schönen Nachmittag, ein super Wochenende und Gut Druck


    Lieber Gruss
    Marcel :beer:

  • Hallo, ich bin auch kein Chemiker, aber gesättigte Kohlenwasserstoffe sind z.B. Alkane (Mineralöle), die du durch die Druckfarbe auf das Material bringst.
    Es gibt inzwischen Hersteller die Mineralölfreie Druckfarbe anbieten.


    Vielleicht hilft dir diese Info ja schon weiter.


    Nachtrag: Es ist auch Möglich, das über den Bedruckstoff Mineralölanteile hinzu kommen, sofern der Bedruckstoff zum Teil oder vollständig aus Recyclingmaterial besteht.

  • Hallo Thuner,


    Druckerpapst hat Recht: gesättigte Kohlenwasserstoffe sind Verbindungen nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff, die wir Alkane oder auch in alter Art Paraffine nennen. Sie können in Druckfarben vorkommen und sind in den hier angesprochenen Konzentrationen gesundheitlich harmlos. Das sagst du ja selbst. Und es gibt auch welche in Recycling-Karton aus dem Anteil bedruckter Sachen im Altpapier.


    Unter den Kohlenwasserstoffen sind besonders die aromatischen (=Benzolringe enthaltenden) verrufen. Sie werden allgemein in Druckfarben sehr niedrig gehalten (außer in einigen Zeitungsfarben), weil sie diverse gesundheitliche Risiken bergen


    Aber n.b.: Hier werden gesättigte Kohlenwasserstoffe gewertet. Ist das ein wirkliches oder ein Schein-Problem?


    Es gibt ja gerade die migrationsarmen Druckfarben, damit nix von der Verpackung auf das Füllgut übergeht, also migriert. Die dürften allesamt auch mineralölfrei sein, also auch frei von gesättigten Kohlenwasserstoffen (weil diese eben besonders wanderungsfähig sind). Und im Stapel, während die Farben trocknen oder sich verfestigen, können bei migrationsarmen Farben nur über den Abklatsch Stoffmengen aus der Druckseite auf die Bogenrückseite übergehen. Und die wären trotzdem dann auch migrationsarm, sobald diese Verpackung getrocknet ist.


    Das in deinem Gutachten zitierte Tenax ist ein wachsartiges, vollsynthetisches Zeug, dass eine bestimmte Zeit auf die produktberührende Seite deiner Verpackung gepresst wird und nachher eine einwandfreie Analyse erlaubt, wie viel wovon nun als Fremdsubstanz übergegangen ist. Man benutzt es als Lebensmittelsimulanz, also genau definiertes Labor-„Lebensmittel“. Olivenöl ist chemisch weniger klar definiert, löst aber bei Kontakt besonders die fettartigen Substanzen auf und macht sie einer Analyse zugänglich.


    Und der Grundgedanke dieser Verpackungsvorschriften ist, dass das Füllgut möglichst wenig Fremdsubstanz übernimmt (Identitätsschutz). Eine eventuelle Schädlichkeit spielt hier gar keine Rolle. Man kann sich über die Berechtigung in unserer industriellen Technik gut streiten.


    Wenn ihr die Gehalte der fertigen Packungen an gesättigten Kohlenwasserstoffen niedriger halten wollt, müsstet ihr alle möglichen Eintragsquellen kontrollieren: Karton, Reinigungs- und Schmiermittel für die Maschinen, die das Druckprodukt berühren, Farben, Additive. Möglicherweise besteht beim Transport durch Speditionen (Kraftstoffe usw.) ebenfalls ein gewisses Kontaminationsrisiko. Das wäre nur durch statistisch abgesicherte Kontrollen erfassbar. Wird eurer Kunde diesen Mehraufwand bezahlen?


    Dein Farbhersteller ist sicher in den aktuellen Fassungen der Vorschriften zu Hause. Es lohnt sich, ihn zu befragen, notfalls gegen Kostenbeteiligung, falls er es für euch nicht als Service rechtfertigen kann.


    Mal ein paar Detailfragen:


    Bedeutet bei dir „Direktverpackung“ nur Packung ohne Innenbeutel? Oder gibt es Direktkontakt der bedruckten Flächen mit dem nackten Füllgut? Das wäre eine andere Liga.


    Bedruckt ihr die PE-beschichtete Seite oder die unbeschichtete?


    Der Begriff „lebensmittelecht“ wird von Laien oft benutzt, existiert meines Wissens aber nicht als vertragverwertbares Kriterium. Dann müsste man den Lack essen können wie Lebensmittelfarben zum Backen und für Puddings. Ist der Lack freigegeben für Direktverpackungen/Rückseite oder Direktkontakt? Mineralöle (Kohlenwasserstoffe) sind in Dispersionslacken nicht als Rezeptbestandteile enthalten.


    Die zitierte Verordnung hier gilt für Mehrweggebinde aus Kunststoff. Wird sie denn bei euch zweckentfremdet auch für Einwegverpackungen aus Karton angewendet?


    Viele Grüße & ciao
    Inkman

  • Ich klinge mich mal hier ein. Druckt ihr ausschließlich mit Foodfarbe oder nur bestimmte Aufträge für den Bonbonkunden? Ich selber bin Leiter einer Druckerei die Verpackungen für Bonbons produziert. Wir drucken aber nur digital und lackieren auch mit Weilburger Foodlack und dieser ist für Direktkontakt freigegeben.
    Wie wird die Verpackung weiterverarbeitet? Ist z.b. Die Faltschachtelklebemaschine nur für die Verpackung oder werden darauf auch andere NonFood Verpackungen weiterverarbeitet? Food und Print ist ein heikles Thema, wenn man sich nicht komplett darauf spezialisiert hat.

    "Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken."

  • Hallo zusammen


    Vielen Dank für Eure genauen Ausführungen.
    Zur Beantwortung Eurer Fragen:
    - Wir bedrucken nur die gestrichene Aussenseite der Packung. dh. die PE beschichtete wird nicht bedruckt
    - Das Füllgut (Bonbons) kommt direkt in die Schachtel, ohne zusätzlichen Innenbeutel
    - Der Bedruckstoff (Incada Excel PE beschichtet) ist der Original Bedruckstoff, der auch von der Verpackungsdruckerei für die Verkauspackungen verwendet wird.
    - Wir drucken nicht nur mit Foodfarbe. Wir wechseln die Farbsätze aus. Die Foodfarbe kommt nur zum Einsatz wenn wir Verpackungen drucken.
    - Die Schachteln werden von einem Spezialisten für Faltschachteln geklebt.


    Wahrscheinlich wird das Problem sein, dass wir nicht ständig Foodfarbe auf den Walzen haben.


    Liebe Grüsse Marcel

  • Hallo Thuner,
    wie sieht es denn bei euch mit der Zurückverfolgbarkeit aus... notiert ihr euch die Chargennummern von sämtlichen Materialien die ihr für diesen Auftrag einsetzt?
    Die "Verunreinigung" könnte ja womöglich auch beim Transport (Abgase, "Smok", etc) oder ganz woanders entstanden sein. Lasst doch mal, wenn möglich, die Chargen von den jeweiligen Herstellern checken.


    MfG ELprinto

  • Das wird es sein,wenn ihr nur ab und zu Foodsafe druckt, die walzen sind das Problem, die saugen sich ja auch voll . Da musst du erst ein "paar " tausend drucken, damit deine Ergebnisse besser werden, oder liege ich da falsch???

  • Michi123 seine Vermutung ist richtig. Da ihr nicht ausschließlich Foodfarbe mit eurer Maschine verdruckt, sind eure Walze "kontaminiert". Das bekommst Du auch nicht mit Waschen oder beim drucken weg, hier hilft nur neuer Walzenstuhl und dann die Maschine nur für Foodfarbe nutzen. ( kann sich aber mit Sicherheit keine kleine Firma leisten)
    Darf ich fragen für welche Bonbonfirma ihr druckt? Nicht das es meine ist . Höhere Auflagen vergeben wir fremd da wir nur Digital drucken. Kannst mir gern eine PN schreiben.

    "Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken."

  • Hallo zusammen


    Vielen Dank für Eure Mithilfe und Tipps.


    Wir werden die Abläufe ändern, weil ich nicht mit 100%iger Sicherheit sagen kann, ob die Drucker bei diesem Auftrag tatsächlich die Foodfarbe in die Kästen gespachtelt haben, oder nicht einfach die normala Skalafarbe drin gelassen haben.


    Kammerrakel:
    Ich möchte Dir das nicht sagen. Aber da Du in Deutschland und ich in der Schweiz zuhause bist, ist die Chance relativ klein das wir für den gleichen Kunden drucken.


    Machts gut und bis bald
    Liebe Grüsse
    Marcel

  • Hallo Thuner,


    dein Fall klingt gar nicht so kritisch. Wenn die untersuchte Kartoncharge überhöhte Werte hat, sollte es nur ein Ausreißer gewesen sein.


    1. Die meisten modernen Quickset-Farben enthalten keine Mineralöle, sondern stattdessen Fettsäureester („Öko-Farben). Dann ist dein häufiger Farbwechsel vielleicht riskant aus sensorischer Sicht (Geruch), nicht aber wegen gesättigter KWs.


    2. „Foodfarbe“ ist kein Fachbegriff. Es gibt durchaus mineralölhaltige Offsetdruckfarben für Packungen von geruchsempfindlichen Füllgütern. Dein Farbhersteller gibt dir die Information, die du hier brauchst.


    3. Wo kann die aus meiner Sicht harmlose Kontamination herkommen?


    a, Kartoncharge? Wirklich in dieser Menge?


    b, Verunreinigung aus deiner Maschine? Dann sindhöchstens die ersten 100 Bogen betroffen.


    c, aus der Weiterverarbeitung? Dann ist es höchstens diese eine Charge - vermutlich. Wenn dein Weiterverarbeiter nicht schlampt.


    4. Was tun? Aktuelle Charge aus eurer Produktion messen. Sehr wahrscheinlich erfüllt ihr den Wunsch eures Kunden durchaus. Am besten mit dem Kunden zusammen, weil der dann mit kapiert. Notfalls bei Fraunhofer in Freising. Die haben die tiefsten Kenntnisse und Erfahrungen in diesem Gebiet.


    Viele Grüße & ciao


    Inkman