Frage 58, Physik, Rheologie

  • In der Lehre vom Fließen, Rheologie, gibt es für pastöse Farben drei praktische Begriffe - die Viskosität, die Zügigkeit und die Elastizität. Die ersten beiden werden nicht nur von Herstellern der Messgeräte und der Druckfarben, sondern auch von Druckern benutzt. Sie wollen wir in den nächsten zwei Fragen besprechen.

    Zuerst: Was ist die Viskosität einer Offsetfarbe?

    meine Antwort:

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    Einfach gesagt, ist die Viskosität der Fließwiderstand eines Mediums. Meist verstehen wir darunter Flüssigkeiten. Physikalisch können es auch Gase oder sogar Festkörper sein.

    Bei unseren pastösen Farben gibt es viele spezielle Messmethoden. Eine einfache, aber nützliche ist eine schräg aufgestellte Glasplatte, bei der man oben eine bestimmte Farbmenge aufträgt und dann die Zeit misst, nach der sie z. B. 10 cm gekrochen ist. Viskosere Farben brauchen länger als niedriger viskose. Wir merken die Viskosität auch direkt am Rühr- oder Spachtelwiderstand. Wie fast alles ist auch die Viskosität temperaturabhängig: Warm fließen Farben besser als kalt.

    Bei einfachen Substanzen wie Wasser ist die Viskosität eine feste Stoffeigenschaft, die man bei z. B. 20°C mit 1 mPas (Millipascalsekunde) beschreiben kann. Bei Feststoffsuspensionen wie Druckfarben ist es viel komplizierter. Da die Pigmentteilchen und Bindemittelmoleküle sich beim Fließen gegenseitig mal mehr, mal weniger behindern, messen wir unterschiedliche Werte, ob wir nun leicht rühren (geringe Scherkraft) oder kräftig (hohe Scherkraft). Jetzt kommen eine Menge Fachausdrücke ins Spiel, von denen ich am liebsten alle bis auf zwei aus der Druckpraxis verbannen möchte. Manche von ihnen beschreiben ganz komplexe Verhalten (newtonsch / nicht newtonsch, Strukturviskosität, Pseudoplastizität, Dilatanz, Fließgrenze, Thixotropie, Rheopexie). Für die Druckpraxis ist es genug zu wissen, ob eine Farbe scherverdünnend ist. Dann wird sie bei heftigerem Rühren immer dünner, also niedriger viskos. Das ist der Normalfall. Wenn man Farbe ins Farbwerk spachtelt, muss sie etwas dick / zäh sein, damit sie nicht gleich vom Spachtel läuft. Zwischen den Walzen soll sie aber leicht fließen, damit sie nicht vor dem Nipp aufstaut. Deshalb hätten wir sie gerne scherverdünnend. Das Gegenteil heißt „scherverdickend“ und ist zum Glück in der Praxis selten. Es führt immer zu Problemen bis Katastrophen (z. B. Treibsand), bestenfalls zu lustigen Phänomenen wie Zauberknete oder begehbare Kartoffelsuppe.
    Dass der Physiker hier Scherkraft- und zeitlich abhängige Effekte unterscheidet, ist in der Druckpraxis nur in Extremfällen wichtig. Stichwort: Stehenbleiben im Kasten. Im Allgemeinen werfen wir beides in einen Topf, weil es selten klar zu trennen ist.

    Im konventionellen Offset bekommen wir zur Farbe noch einen weiteren wichtigen Teilnehmer ins System, das Feuchtmittel. Es ist plausibel, dass die einemulgierten Wassertröpfchen die Viskosität einer Farbe mit beeinflussen. Meist erniedrigen sie sie. Aber es gibt durchaus Fälle, in denen die Tröpfchen die Fließfähigkeit so erschweren, dass das Emulgat nicht mehr vernünftig durch den Farbstuhl marschiert. Das nennen wir dann Pelzen.

    Die Messgeräte heißen „Viskosimeter“, wenn sie nur einen Wert messen und „Rheometer“, wenn sie ein umfangreiches Verhalten der Prüfsubstanz erfassen.

    Für alle Benutzer, Maschinenbauer, Farbhersteller usw., die es nicht reinrassig physikalisch brauchen, gibt es ein gut verständliches Buch: Thomas G. Metzger, Das Rheologie Handbuch. Echte Spezialisten haben mit allen feinen Unterschieden eine Sprache, die mir nicht mehr zugänglich ist. Sie kommen mit meiner vereinfachten Form nicht mehr aus. Aber dafür benutzen wir die Rheologie ja auch nur hilfsweise. Wie die Mathematik. In der besetzt jeder auch nur die Tiefe, die er braucht oder verstehen kann.

  • Hallo Inkman,

    momentan habe ich ein aktuelles Problem. Die Pantone-Druckfarbe 272c liegt in zwei verschiedenen Anreibungen vor. In alter Anreibung mit Lichtechtheit 3, Opazität 1, Sprit +, Lösemittelgem. +, Alkaliechtheit + lässt sie sich auf einer GTO mit Direktfilmfeuchtwerk gut verdrucken und ist auch nicht so "dünnflüssig".

    In der aktuellen Anreibung muss man sie mit einer "Suppenkelle" in den Farbkasten geben!! Lichtechtheit ist jetzt 2, Opazität 1, Sprit -, Lösemittelgem. - und Alkaliechtheit ebenfalls -. Wie könnte ich diese Farbe so verändern, dass sie viskoser wird?

    Ein weiteres Problem ist das Feuchtwerk der Maschine. Die Feuchtwalzen sind mit einem Farbwalzenwerkstoff bezogen und eine Geschwindigkeitsänderung (Potieinstellung) der Tauchwalze gibt es nicht. Nur eine Abquetschung von Dosier.- und Tauchwalze fungiert als Feuchtmitteldosierung!!!

    Eine absolut dünne Farbe, Farbwalzenwerkstoff im Feuchtwerk und nur die Möglichkeit einer Abquetschung machen das Drucken zu einer eigentlich unbeherrschbaren Angelegenheit. Einfache Antwort wäre, eine andere Druckfarbe einzusetzen. Leider ist das nicht so ohne weiteres möglich. Deshalb meine Frage, ob man die absolut dünnflüssige Druckfarbe mit einem Hilfsstoff viskoser machen kann.

    Vielen Dank auch an dieser Stelle einmal für die bisherigen inspirierenden Antworten.

    Gruß Nordwind

  • Hallo Nordwind,

    bin zwar nicht *Inkman* aber eventuell eine Ansatzlösung

    zu deinem Problem mit der Farbe.

    Hast du die Möglichkeit die P 272c selbst zu mischen ?

    Kommt natürlich auf die benötigte Menge an.

    Abhilfe schaffen manchmal auch mono pigmentierte Pantonefarben,

    dein Farbhändler deines Vertrauens hört diese spezielle Nachfrage

    nur alle paar Jahre mal und auf einer GTO mit Direktfilmfeuchtwerk

    mit einem Zusatz aus NL zu drucken ist schon Hardcore genug,

    entsprechend dem sollte wenigstens die Farbe keine Probleme bereiten.

    Inkman kann das sicher noch besser erklären als ich :)

    Gruß, Nob

  • Hallo Nordwind,

    wenn dein Problem ist, dass die Farbe zu gut fließt, also zu niedrig viskos ist, kann ich dir leider keinen Zusatz empfehlen, der sie viskoser macht. Es gibt nur Verzweiflungstaten mit strengen Firnissen oder - besser - höher molekularen Alkydharzen. Das sagt dir schon, dass es keine Mittel sind, die wir Druckern an die Hand geben. Handhabung gnibbelich und Erfolgsquote unter aller Kanone.

    Die alten Recken haben früher Bologneser Kreide in die Farbe gemischt. Das müsste die Konsistenz erhöhen. Wie man das allerdings in einer Druckerei macht und dennoch eine verdruckbare Farbe erhält, weiß ich nicht.

    Nachträgliche Zusätze, die die Viskosität (oder doch Zügigkeit oder Wasserresistenz?) der Farbe zu erhöhen, sind nicht ernsthaft erfolgreich, weil sie immer auch die Farbe noch weiter verdünnen.


    PMS 272 ist nach dem Fächer ein Ton mit ¾ Lasurweiß, also eigentlich angefärbtes Streckmittel. Hier ist entweder der Farbfilm für die lokalen Transportverhältnisse zu dick oder zu dünn, oder das Lasurweiß ist für deine Feuchtungsverhältnisse nicht geeignet. Mit solchen Maschinentechniken habe ich leider keine eigene Erfahrung, und meine ernsthafte Literatur gibt mir auch nichts her. Schade.

    Viele Grüße & ciao

    Inkman

  • ein Tipp aus privater Erfahrung, und bitte nicht gleich steinigen;)

    Es gibt einen Zusatz, der normale Offsetfarben eigentlich tauglich machen soll für den wasserlosen Druck namens "Printon" oder auch "Antiton". Einfach mal googeln nach Printon.

    Der erhöht die Viskosität enorm, sollte aber nur in homöopathischen Dosen angewendet werden. Beispiel: dein GTO-Kasten ist mit einem daumenbreiten Streifen Farbe gefüllt, dann auf diese Menge EINE kirschkerngroße Portion Printon geben und sehr gut verrühren, am Besten außerhalb der Maschine auf einem Farbstein, wenn vorhanden, oder auf 'ner Plattenrückseite halt. Schon beim Untermischen merkst du, dass die Farbe wesentlich strenger wird. Ich habe das gelegentlich getan bei Farben mit hohem Transparentweißanteil, um vor allem Raster sauber und nicht "vermatscht" stehen zu lassen. Für große Volltonflächen eher nicht geeignet. Versuch's mal. Kostet ca. 20.- pro Tube.

  • Hallo jotemel,

    warum gleich zu so harten Mitteln wie einer Steinigung greifen. Ein :cursing:tut es doch auch? :) Nein, ich finde es nur positiv, wenn man solche Hinweise bekommt. Und wenn sie dann tatsächlich helfen, wird die ganze Sache noch positiver. Werde mal sehen, wo ich diesen Zusatz bekomme. Inkman führte ja ebenfalls aus, dass PMS 272 zu 3/4 aus Lasurweiß besteht. Danke für den Hinweis.

    Gruß Nordwind