Frage 37, Rückseitenvergilbung

  • Erklären Sie die Geister durch Rückseitenvergilbung im Bogenoffset.

    Meine Antwort:

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    Nach dem Druck der ersten Bogenseite und Stunden bis Tagen für die Stapeltrocknung beobachtet man manchmal einen schwachen Widerschein des gedruckten Motivs in vergilbter Form auf der unbedruckten Bogenrückseite. Wenn jetzt nicht große Flächendeckung für die andere Bogenseite folgt, ist der Auftrag schwer verkäuflich. Wir nennen es "Rückseitenvergilbung", Papierhersteller sagen „Kontaktvergilbung“. Sie sehen es eben vom Material, nicht vom Druckprodukt.

    Wo kommt das her? Bei den üblichen Bogenoffsetfarben entstehen während der oxidativen Verfilmung im Stapel aus den Bindemitteln des Druckes chemische Spaltprodukte, die halbwegs flüchtig sind. Sie gasen aus und diffundieren im Luftraum des Stapels herum. Als erstes in die Rückseite des darüber liegenden Bogens. Reaktive Anteile der Ausgasungen (Ketone und Aldehyde) freuen sich auf heiratswillige Substanzen der Bogenrückseiten. Dazu gehören Bindemittelanteile im Strich, optische Aufheller, auch die Fasern ungestrichener Rückseiten. Besonders die optischen Aufheller zeigen Wirkung, weil sie ihren Blaumachereffekt verlieren. Das bedeutet Gilb.
    Die oxidative Verfilmung geht nach einem radikalischen Mechanismus. Das bedeutet, es gibt zahllose Einzelwege, Zwischen- und Endprodukte. Eben auch flüchtige. Aber das bedeutet auch, dass diese Reaktionen unterschiedlich verlaufen, wenn sie beschleunigt oder verzögert werden. Kastenfrische oder gar walzenfrische Farben sind kritischer als unverzögert mild verfilmende. Die gibt es wohl gar nicht mehr auf dem Markt. Unser Feuchtmittel verbessert die Lage: Der alte Buchdruck hatte viel mehr mit der Rückseitenvergilbung zu kämpfen als der Offset. Logischerweise ist der Wasserlose wieder stärker betroffen.

    Kann man den Gilb ausheilen? Nein, nur überdrucken, damit er nicht mehr auffällt.

    Kann man die Kontaktvergilbung geplant vermeiden? Ja. Das Wichtigste ist das Lüften des Stapels, sobald es geht. Damit beseitigt man gründlich die Ausgasungen. Je glatter das Papier ist, desto weniger Stapelluft haben wir, und desto größer ist die Gefahr von Schäden. Wenn wir Glück haben, hilft auch die schnelle Weiterverarbeitung, weil sie gründliches Lüften bedeutet.
    Ob wir eine gefährdete Papier-Farbe-Kombination haben, können wir nicht vorher messen. Passiert uns der Fehler häufiger trotz Lüften, kann man auf eine nur mild verfilmende Farbfamilie wechseln, also das Gegenteil von Scheuerfestfarben.
    Wenn in line dispersionslackiert wird, ist der Stapel so wie so gerettet. Man kann nämlich überhaupt Farben ganz ohne oxidative Verfilmung nehmen. Dann passiert nichts mehr. Alleine eine Lackierung macht keine Barriere für die Ausgasungen. Dazu ist die Schicht nicht geschlossen genug.

  • Da hab ich mal eine Frage dazu.

    Wir haben vor Wochen einen Geschäftsbericht produziert. Auftrag war 4c+ Kundenfarbe (in Richtung Pantone Reflex Blue)+ Dispersionslack auf Naturpapier in einem Durchgang.

    Schöndruck durchgedruckt, einen Tag sitzen gelassen war alles Gut. Dann haben wir den Widerdruck gemacht, da war auch noch alles Gut. Stapel wurden mehrmals gelüftet sowohl nach SD als auch nach dem WD. Nach 2 Tagen kurz vor der Weiterverarbeitung kam dann der Schock. Die dunklen stellen der 4c Bilder im SD zeichneten sich als Vergilbung in der Sonderfarbenfläche im WD ab. Der Auftrag wurde ein 2.mal produziert mit noch mehr lüften ohne anderes Ergebnis. Bei der 3. Produktion nahmen wir einen anderen Farbhersteller für die Sonderfarbe und siehe da alles Super. Haben auch einen Teststapel ohne lüften mit dieser Farbe gedruckt. Auch da war keine Vergilbung zu sehen.

    Was war an der Farbe jetzt anders? Weil das Rezept ist ja vom Kunden vorgegeben. Oder wurde nur mit anderen Zusatzstoffen gearbeitet?

    Was ich noch vergessen habe. Mit dem ersten Farbhersteller haben wir die letzten 5 Jahre diesen Geschäftsbericht gedruckt ohne irgendwelche Schwierigkeiten.

    Gruß

  • Hallo Adihurra,

    ohne die Drucke näher begutachten zu können, kann ich natürlich nur vermuten. Irgendein Geistereffekt muss es sein. Und er wird sehr wahrscheinlich über Ausgasen der 4C-Partien mit der oxidativen Verfilmung passieren. Interessant ist, dass er auch noch reproduzierbar ist.

    Bei allem wundert mich, dass es trotz intensiven Lüftens passiert.

    Aber der Farbwechsel muss logischerweise zu einer anderen Verfilmungskraft geführt haben. Hier muss man ansetzen. Verfilmungsgeschwindigkeiten kann man vergleichend messen. Dann weiß man, wie man weiter auswählen muss.

    Eine Schuldzuweisung ist nur nach genauer Analyse möglich. Ich nehme auch an, dass es sich nicht um ein Vergilben der Papieroberfläche handelt, sondern um eine Veränderung der Reflexblau-Oberfläche (Stichwort Bronze-Erscheinung). Dann könnte auch eine Lackierung das Problem beheben. Aber das sind eben nur Vermutungen.

    VieleGrüße & ciao
    Inkman

  • Wenn beide Seiten in line dispersionslackiert wurden, sollte es sich doch um ein Echtheitsproblem handeln. Der Lack unterdrückt ja die Bronze vollflächig. Dann erscheint die ganze flächige Sonderfarbe grünlicher. Die örtliche Farbveränderung muss also noch dazugekommen sein.

    Das scheint mir ein besonders interessanter Fall zu sein.

    Sind denn beide Sonderfarben alkaliecht?

    Hier zeigt sich sehr schön der Wert einer genauen Problembeschreibung. Und dass simple Fragen leichter zu beantworten sind als ausführlich gestellte. Und dass sich mancher gerne in Versuchung führen lässt, wenn er sich für schlau hält…

  • Ja waren/sind sie beide

    Mein Meister hat jetzt die erste Farbe entsorgen lassen. Jetzt nehmen wir die von dem anderen Hersteller. Bis jetzt haben wir mehrere Flyer- Visitenkarten und Broschüren produziert. Alle mit dieser blaufläche. Bisher ist nichts mehr negatives aufgetaucht


    Wir haben übrigens noch ein Paar Tests gefahren mit der Farbe vom ersten und zweiten Hersteller.

    Jeweils mit/ohne Dispersionslackierung
    Stapel gelüftet/ungelüftet

    Während sich der Bronzeeffekt beim Hersteller Nummer 1 sich immer zeigte, war die Farbe vom 2. Hersteller von allem Unbeeindruckt. In keiner der Varianten zeigte sich ein Bronzeeffekt.

    Da die Farbe immer extra angerieben wird, weil der Kunde nicht immer bei uns produzieren lässt, gehen wir davon aus das bei dem anreiben was schief gelaufen sein könnte. Das Papier war aus 3 Chargen. Vielleicht passte mit dem Papier auch was nicht. Das haben wir nämlich nicht getestet. Die Farbe vom 1. Hersteller auf einem alternativ Papier. Das wäre noch interessant gewesen.

    Gruß

    2 Mal editiert, zuletzt von Ace1986 (29. Mai 2016 um 19:59)