Erklären Sie die Geister durch Rückseitenvergilbung im Bogenoffset.
Meine Antwort:
Nach dem Druck der ersten Bogenseite und Stunden bis Tagen für die Stapeltrocknung beobachtet man manchmal einen schwachen Widerschein des gedruckten Motivs in vergilbter Form auf der unbedruckten Bogenrückseite. Wenn jetzt nicht große Flächendeckung für die andere Bogenseite folgt, ist der Auftrag schwer verkäuflich. Wir nennen es "Rückseitenvergilbung", Papierhersteller sagen „Kontaktvergilbung“. Sie sehen es eben vom Material, nicht vom Druckprodukt.
Wo kommt das her? Bei den üblichen Bogenoffsetfarben entstehen während der oxidativen Verfilmung im Stapel aus den Bindemitteln des Druckes chemische Spaltprodukte, die halbwegs flüchtig sind. Sie gasen aus und diffundieren im Luftraum des Stapels herum. Als erstes in die Rückseite des darüber liegenden Bogens. Reaktive Anteile der Ausgasungen (Ketone und Aldehyde) freuen sich auf heiratswillige Substanzen der Bogenrückseiten. Dazu gehören Bindemittelanteile im Strich, optische Aufheller, auch die Fasern ungestrichener Rückseiten. Besonders die optischen Aufheller zeigen Wirkung, weil sie ihren Blaumachereffekt verlieren. Das bedeutet Gilb.
Die oxidative Verfilmung geht nach einem radikalischen Mechanismus. Das bedeutet, es gibt zahllose Einzelwege, Zwischen- und Endprodukte. Eben auch flüchtige. Aber das bedeutet auch, dass diese Reaktionen unterschiedlich verlaufen, wenn sie beschleunigt oder verzögert werden. Kastenfrische oder gar walzenfrische Farben sind kritischer als unverzögert mild verfilmende. Die gibt es wohl gar nicht mehr auf dem Markt. Unser Feuchtmittel verbessert die Lage: Der alte Buchdruck hatte viel mehr mit der Rückseitenvergilbung zu kämpfen als der Offset. Logischerweise ist der Wasserlose wieder stärker betroffen.
Kann man den Gilb ausheilen? Nein, nur überdrucken, damit er nicht mehr auffällt.
Kann man die Kontaktvergilbung geplant vermeiden? Ja. Das Wichtigste ist das Lüften des Stapels, sobald es geht. Damit beseitigt man gründlich die Ausgasungen. Je glatter das Papier ist, desto weniger Stapelluft haben wir, und desto größer ist die Gefahr von Schäden. Wenn wir Glück haben, hilft auch die schnelle Weiterverarbeitung, weil sie gründliches Lüften bedeutet.
Ob wir eine gefährdete Papier-Farbe-Kombination haben, können wir nicht vorher messen. Passiert uns der Fehler häufiger trotz Lüften, kann man auf eine nur mild verfilmende Farbfamilie wechseln, also das Gegenteil von Scheuerfestfarben.
Wenn in line dispersionslackiert wird, ist der Stapel so wie so gerettet. Man kann nämlich überhaupt Farben ganz ohne oxidative Verfilmung nehmen. Dann passiert nichts mehr. Alleine eine Lackierung macht keine Barriere für die Ausgasungen. Dazu ist die Schicht nicht geschlossen genug.