Wenn ich ehrlich bin, Jannik, bei deiner Anfrage hier im Forum habe ich zuerst an einen verspäteten 1.-April-Scherz gedacht. Warum soll man aber nicht auch mit einer alten Druckmaschine seinen Brotkorb füllen können? Dass dies möglich ist, zeigen einige Forumsteilnehmer eindrücklich. Und beim Stöbern im Internet findet man zahllose Clips aus aller Welt, welche Drucker beim Arbeiten mit urururalten Maschinen zeigen.
Du aber bist in Deutschland und dein Arbeitsplatz ist nicht in einer Museumsdruckerei, in welcher andere Regeln gelten als in einem Produktionsbetrieb.
Du musst es so sehen: Die GTO wurde damals konzipiert für einen wachsenden Markt. Druckereien konnten in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für ihre Arbeit verlangen, was sie wollten. Die Auftragsbücher waren randvoll, Auflagestückzahlen wurden nach Wunschdenken bestimmt und nicht nach realen Gegebenheiten.
Die Einrichtezeit der Druckmaschine spielte damals eine untergeordnete Rolle. Was sind zwei, drei Stunden Einrichten, wenn anschliessend der Job "eine Woche" auf der Maschine läuft. Vierzig Jahre später haben sich die Anforderungen an eine Druckmaschine aber radikal geändert: Geringe Margen, hohe Einkaufspreise, kleine und kleinste Auflagen, wenig Personal, Konkurrenzdruck sind heute die Stichworte.
Ich zweifle sehr, ob eine manuelle 4/5-Farben-GTO heute in Europa den Gegebenheiten des Marktes noch genügt. Die neueren GTOs mit Automatismen und Farbfernsteuerung sind bestimmt besser geeignet, aber auch bei diesen Maschinen fehlen viele Routinen wie Waschanlagen für Farbwerk, Gummituch und Druckzylinder. Vom manuellen Einspannen der Druckplatten ganz zu schweigen. Schon das Durchwaschen einer 4-Farben-GTO wird zum Nachmittag füllenden Programm.
Interessant in diesem Zusammenhang: Von Heidelberg ist im Internet ein Werkfilm aus der Zeit zu finden, in welchem die damals neuen SORM-Maschinen beworben wurden. Heidelberg propagierte für den Illustrationsdruck den Kauf einer Zweifarben-SORM und empfiehlt den Einsatz einer Vierfarben erst ab einer gewissen, grösseren Auflagenhöhe. Dieser Grundsatz gilt meiner Meinung nach auch heue noch für Maschinen dieser Generation.
Wer Kleinauflagen auf einer 4/5-Farben-GTO drucken will, muss einen guten Schuhmacher kennen.
Und dann kommt heute noch der Digitaldruck dazu, welcher das GTO-Format für kleine und mittlere Auflagen schon heute abdeckt. Auch Sicherheitsmerkmale können heute digital gedruckt werden wie fälschungssichere Farbe und Sicherheitsgitter auf jedem Bogen. (Für alle Unwissenden: Ein Sicherheitsgitter ist ein fast unsichtbarer Unterdruck, mit welchem ein gedruckter Bogen nach Auswertung einem Ausgabegerät mit Datum und Zeit zugeordnet werden kann.)
Also, Jannik, ich hoffe, diese Einschätzung hilft dir in der Entscheidfindung etwas weiter. Im Übrigen schliesse ich mich der Meinung von Karsten und Jakob an.