Beitrag 136, Fachsprache „Papier chlorfrei“

  • Ursprünglich wurde der Zellstoff für Papier und Karton mit Lösungen von Natrium-hypochlorit gebleicht. Dort wirkt praktisch elementares Chlorgas auf den Faserbrei ein. Wegen der dabei auftretenden Emissionen, besonders der giftigen Dioxine, wurde das Verfahren hauptsächlich von Greenpeace bekämpft. Die Kampagne war geschickt angelegt, und die europäische Bevölkerung für Umweltthemen aufgeschlossen. Der Druck in der Öffentlichkeit hat tatsächlich bewirkt, dass ein eingefahrener technischer Prozess umgestellt wurde, ein kostenspieliger Vorgang.


    Das Problem trat also nicht bei der Papierherstellung selbst -auf, sondern beim zuvor laufenden Vorgang der Zellstoffaufbereitung. Folglich hätte man das neue Produkt damals auch „Papier auf der Basis chlorfrei gebleichten Zellstoffs“ nennen müssen. So etwas wäre heute nicht verkaufbar, auch damals nicht. Also musste man einen Fachausdruck wählen, der dem Fachmann den Gegenstand klar benennt und brauchbar klingt. Dabei kam erst heraus „chlorfrei gebleichtes Papier“ und, weil das immer noch zu lang war, „chlorfreies Papier“.


    Das wäre jetzt kein Beinbruch, wenn nur Fachleute gefragt würden. Aber viele Leute in unserem Geschäft interessieren sich nicht für die Bedeutung so eines Fachausdruckes. Sie nehmen die Sache platt wörtlich. Und deshalb gab es mal wieder sachlich falsche, eigentlich sogar lächerliche Forderungen: Papiersorten sollten chlorfrei sein. Der Chlorgehalt von Papier und Karton ist für uns überhaupt nicht relevant. Er liegt u. a. als Natriumchlorid, als Kochsalz, vor. Damals wurden tatsächlich eine Menge Hampeleien angestellt, um das böse Chlor aus dem „umweltfreundlichen Druckprodukt“ herauszuhalten. Fachjournalisten und Auftraggeber haben sich da gelegentlich lächerlich gemacht.


    Inzwischen scheint mir, dass sich die Sache auf ein vernünftiges Maß eingependelt hat. Es ist wohl inzwischen auch Standard, dass der Zellstoff chlorfrei gebleicht wird.