Was bedeutet bei einem Rasterverfahren, es wirke tiefenvariabel?
Meine Antwort:
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Wenn wir im Zusammendruck der Raster eine Farbe, z. B. Cyan, etwas stärker oder schwächer bringen wollen, haben wir grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Wir können alle Rasterpunkte gleich groß machen und auf jedem die Farbschichtdicke variieren, also unterschiedlich dick auftragen =“tiefenvariabel“. Oder wir entscheiden uns für eine feste Schichtdicke und machen die Rasterpunkte größer oder kleiner, je nach gewünschter Farbwirkung =“flächenvariabel“. Denkbar sind grundsätzlich auch Mischformen - wenn es klappt.
Der Rasterdruck hat im Tiefdruck angefangen mit den Ätzverfahren (s. a. H. Kipphan, Handbuch der Printmedien, S 377, weniger klar hier). Dort bekam jeder Rasterpunkt seinen Platz und seine Fläche durch eine Gelatine-Schicht und eine Belichtungsmaske mit Kreuzlinien, die für jeden Punkt ein Schächtelchen frei ließen. Dort wurde die Gelatine durch Belichtung gehärtet. Und wo mehr Licht hinfiel, wurde sie härter als an anderen Stellen.
Wenn nun durch die Gelatine auf die Kupfer-Oberfläche geätzt wurde, widerstanden die festeren Gelatinepunkte länger als die schlappen. Und dadurch wird die Ätzlösung durch festere länger zurückgehalten und deren Näpfchen dann auch weniger tief. So kommt man zu einem Tiefdruck-Zylinder, der mit fotochemischem Verfahren für jeden Rasterpunkt eine eigene Farbmenge überträgt. So genau, wie man eben diese Prozesse beherrscht.
Wenn so ein Verfahren auch sehr feine Unterschiede gezielt umsetzen kann, ist es unschlagbar für die Druckqualität, weil niedrige Farbschichten nicht nur weniger Farbwirkung bringen als dickere, sondern weil sie auch reinere Farbtöne (also weniger schmutzige = verschwärzlichte) widergeben können. Das hat man sich jahrzehntelang beim Druck von Versandhauskatalogen vor allem für Kleidung zunutze gemacht. Wir sagen vereinfachend, dass tiefenvariable Rasterung die Wiedergabe echter Halbtöne ermöglicht.
Als Chemiker erstarre ich in Achtung vor diesen Erfindern (Meisenbach in Nürnberg und Rolffs in Siegburg) und ihren Mitarbeitern, weil dieses Ansinnen, gezielt zu ätzen, ein echtes Abenteurertum, gepaart mit höchster handwerklicher Präzision, erforderte.