Frage 47, Trocknung von Dispersionslacken, 3

  • Welcher Vorgang ermöglicht es, dass eine Dispersions - Lackierung einen bedruckten Bogen frisch zwar gerade gut weiterverarbeitbar macht, nach ein paar Stunden jedoch sogar äußerst scheuerfest?


    meine Antwort: [spoiler]


    Eine Dispersion besteht aus kleinen Fetttröpfchen, die in Wasser fein verteilt sind. In ihnen befinden sich Hunderte fettiger, fadenförmiger Moleküle. Sie winden sich wie Schlangen umeinander und verknäulen (Brown´ sche Molekularbewegung = Wärmebewegung). Die Molekülenden bleiben in ihrem jeweiligen Tröpfchen und kommen natürlich nicht hinaus, weil da Wasser ist, das sie nicht benetzt.


    Wenn der Dispersionslack trocknet, befindet sich immer weniger Wasser zwischen den Fetttröpfchen. Irgendwann stoßen sie aneinander. Disp Verfilmen 1.gif verdeutlicht das. Dann werden sie immer dichter aneinander gequetscht und bilden ohne das Wasser eine Art Wabenstruktur. Sie haben natürlich keine wirkliche Haut. Es war nur die Grenze zum Wasser, die die Molekülenden hinderte, aus einer Zelle in eine andere zu kriechen. Jetzt können sie aus ihrem Knäuel heraus in die Nachbarknäuel kriechen und sich mit den dortigen Fadenmolekülen verknäulen. Nach einiger Zeit, schneller bei genügend Wärme, kann keiner mehr sagen, wer aus welcher Zelle kam. Alles ist ein zusammenhängendes Geflecht geworden(Disp Verfilmen 2.pdf).


    Es gibt bei jedem Bindemittel eine Art Sprungtemperatur, ab der es von träge zu quirlig wechselt (MFT, Mindestfilmbildungstemperatur). Oberhalb läuft die Interdiffusion, also die Verknäuelung dieser Fäden, flott ab. Die Fachtechnik nennt den Vorgang Filmbildung, auch Verschmelzen oder Glasbildung. Er ist rein physikalisch, weil sich die Fadenmoleküle nur aneinander schmiegen. Es gibt keine chemischen Reaktionen, also Formung chemischer Bindungen. Das bringt eine ungeheure Geschwindigkeit, wenn wir mit chemischen Verfilmungen vergleichen. Nichtsdestotrotz haften die Fäden innig aneinander und verleihen dem Lackfilm eine unglaubliche Festigkeit.


    Dieser Film ist sogar durch Aufschmelzen verformbar, was sich beim Kalandrieren Dispersions-lackierter Drucke spektakulär zeigt (Bogen separat beim Veredeler, Bahn in line in der Heatset-Druckanlage). Der Glanz solcher Oberflächen ist durchaus vielen UV-Lacken ebenbürtig. Er wirkt nur angenehm weicher. Die Scheuerfestigkeit ist fast so gut wie bei UV-Lacken, wenn die Schichtstärke stimmt. Dispersionslacke sind dazu noch elastisch, kennen folglich keinen Weißbruch beim Knicken.


    Diese drei Trocknungsmechanismen finden wir nicht nur bei unseren Dispersionslacken, sondern auch bei den wässrigen Farben des Flexo- und des Tiefdruckes, bei Papierstreichfarben, Dispersionsklebern und den Dispersionsfarben im Baumarkt.[\spoiler]