Kennen Sie Glanz-Matt-Geistereffekte im Bogenoffset?
Meine Antwort:
Hier gibt es Parallelen zur Rückseitenvergilbung. Es wird nur nicht eine chemische Reaktion ausgelöst, sondern das Absorptionsverhalten der Papierrückseite verändert. Und es gibt wieder mehrere verschiedene Wege.
Wie wirken Glanz-Matt-Effekte? Der beschädigte Druck hat in der gestörten Fläche einen sichtbar höheren oder niedrigeren Glanz als im Rest eines Bildes oder einer Fläche. Beides gibt es, und ich erinnere mich an eine uralte Publikation eines Farbenherstellers in München. Dort wurden die kritischen Stellen unter Laborbedingungen durch niedrigere und höhere Anteile an Sikkativ (Trockenstoff) stumpfer oder glänzender als ihre Umgebung erhalten. Leider spielten so viele Einflüsse einer Auflage hier mit, dass man nicht die ideale Sikkativ-Menge ermitteln konnte.
Was passiert? Ich unterscheide grundsätzlich zwei Arten: der eine, bekanntere, bildet sich erst im Stapel mit der Verfilmung der zweiten Seite. Dort muss man also aufpassen. Der andere kommt beim Druck der zweiten Seite „frisch aus der Maschine“. Hier schädigt die Verfilmung der Vorderseiten im Stapel die Rückseiten. Man muss also nach Druck der ersten Seite aufpassen.
Erster Fall: Die Ausgasungen von Mineralöl und Oxidationsprodukten kriechen normalerweise in die Rückseite des darüber liegenden Bogens. Wo darüber aber eine geschlossene Druckfläche liegt, schweben sie im Stapelraum weiter herum. Sie kommen in die eigene, gerade verfilmende Farbschicht zurück und verändern dort deren Oberfläche. Frisch nach Druck sieht man noch kein Problem. Am Morgen danach (oder noch später) kommt der Schrecken. In ganz krassen Fällen wird die Oberfläche nicht nur matter; sie belegt sich gräulich und sieht wie angeschimmelt aus. Hier ist klar die oxidative Verfilmung mit ihren komplizierten Reaktionswegen der Verursacher. GlMEff1.gifund GLMEff2.gif zeigen Beispiele.
Diese Version gibt es noch tückischer bei nachträglichen Lackierungen. Wenn eine Lackierung mit Dispersion oder UV-Lack geplant ist, muss man die Störung vorher noch gar nicht erkennen. Die Ausgasungen verschlechtern hier die Benetzbarkeit der entsprechenden Flächenteile. Das betrifft damit die Lackannahme: Im extremen Fall perlt der Lack ab. Das kann man dann schon nicht mehr „Glanz-Matt“ nennen. Mein heftigster Fall war ein Geschenkpapier, das bedruckt, sofort mit Bandeisen zusammengebunden und zum Lackierer gefahren wurde. Dann war plötzlich keine Eile mehr, und die Stapel standen ungeöffnet drei Wochen herum, bevor man versuchte, sie mit UV-Lack zu überziehen. Spektakulär, wie LackGeist.gif im Anhang zeigt.
Im zweiten Fall wird eine Bogenseite bedruckt. Und während der Stapeltrocknung diffundieren (kriechen) Ausgasungen in die Bogenrückseiten der darüber liegenden Bögen. Dort sättigen sie teilweise die Flächen, und sofort nach dem Druck der Rückseiten schlagen dort Farben und Lacke anders weg als daneben: Ebenfalls erscheinen sie matter oder glänzender als ihre Umgebung.
Wie kann man vorbeugen? Auch wenn es weh tut, ist das Risiko geringer, zuerst die Seite mit den großen dunklen Flächen zu drucken.
Das Lüften ist immer zu empfehlen. Wenn man Glanz-Matt nach der Stapeltrocknung befürchtet, muss man nach Druck der zweiten Seite lüften. Befürchtet man den „wegschlagenden“ sofort aus der Maschine, dann musste besser der Stapel nach Druck der ersten Seite gelüftet worden sein.
Wenn es möglich ist, kann man die erste Seite erst vollflächig lackieren, bevor man die zweite Seite druckt. Am besten in line.
Es kann auch helfen, mal ein ganz anderes Fabrikat von Papier zu nehmen. Der Feinbau der Papieroberfläche ist mit Sicherheit maßgeblich beteiligt.
Kann man reparieren? Wenn man Glück hat, hilft ein langweiliger, mild verfilmender Öldrucklack als Primer. Und wenn er nicht selbst schon ausgleicht, einen Dispersionslack drüber. Der kann ja nicht geistern, weil er nicht oxidativ verfilmt. Das dürfte aber nur bei großen Auflagen in Frage kommen.
Restbemerkungen
Auf ungestrichenem, schwerem Material habe ich mal einen ganz komischen Geistereffekt gesehen. Das sah eher aus wie leichte Ölflecken, die auf beiden Seiten das jeweils gegenüber liegende Bild dunkel nachzeichneten. Es musste eine besondere Empfindlichkeit der Papierfasern gewesen sein. Die Mineralölmenge eines Offsetdruckes genügt nie für einen echten Fetteffekt. Bei ihm reduziert ja Öl oder Fett die Lichtstreuung lokal zwischen Fasern. Das Beispiel: Geist dunkel.gif.
Ich kenne Glanz-Matt-Beispiele nur aus dem Bogenoffset. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund zur Annahme, dass sie im Buchdruck und im Wasserlosen nicht auch auftreten können.
Ein Nachtrag zur Rückseitenvergilbung ist RücksVergilbWL.gif.