Wie funktioniert der Lichtfang bei Rasterdrucken?
Meine Antwort:
Rasterpartien kann man mit ihrer Flächendeckung beschreiben - oder realistischer mit ihrem Tonwert. Den Unterschied macht ein physikalisch-optisches Phänomen aus, das wir Lichtfang nennen. Es kann in seinem eigenen Beitrag zur Tonwertzunahme so gewichtig werden wie alle anderen Größen (Druckverfahren, Bedruckstoff, Farbe) zusammen. Es gibt ihn im Tiefdruck, im Flexodruck - oder im alten Hochdruck - überall, wo Raster auf Papier gebracht werden.
Papier lässt das Licht in sich eindringen und streut es. Und es schafft dadurch den hellen Eindruck einer weißen Oberfläche. Ein Rasterpunkt, der auf seiner Oberfläche liegt, wird durch dieses Eindringen von Lichtstrahlen ins Papier in seiner optischen Wirkung aufgewertet. Wir nennen diesen Effekt Lichtfang (s. dazu auch DD Nr. 20/2006, Seite22; Nr. 25/2006, Seite 12; Nr. 28/2006, Seite 12; Nr. 30/2006, Seite 26).
Lichtstrahlen, die im Randbereich einer bedruckten Fläche ins Papier fallen, können unter den bedruckten Bereich eindringen und dort gestreut werden. Wenn solche Lichtstrahlen in die Richtung unseres Auges oder Messgerätes fallen, laufen sie zuvor durch Druckfarbe, werden also durch Absorption an bestimmten Wellenlängen bunt. Der Fläche nach sollten sie zu den farblosen zählen. Sie erhöhen aber die Farbwirkung der bedruckten Fläche.
Am gegenüber liegenden Rand der Druckfläche geschieht das Gegenteil: Lichtstrahlen fallen durch die Randfläche des Druckes und kommen durch eine unbedruckte Stelle wieder heraus. Nun gleichen sich beide nicht ganz aus, weil das ungeschwächte Licht im ersten Fall tiefer ins Papier eindringt als das geschwächte im zweiten und damit etwas mehr Streulicht produziert. In der Summe beider Vorgänge verbleibt ein eigener Farbbeitrag des Lichtfangs. Dieser Beitrag ist kein Rechentrick. Wir nehmen die erhöhte Farbwirkung mit den Augen wahr, das Densitometer erfasst sie - und das Spektralfotometer auch.
Es ist plausibel, dass der Lichtfangeffekt vom Papier abhängt, weil z. B. ungestrichene Qualitäten das Licht tiefer eindringen lassen als gestrichene. Er hängt aber auch ganz entscheidend von der Länge an Randzonen um Rasterpunkte ab, weil er eben nur in Randbereichen auftreten kann. Grob kann man erwarten, dass desto mehr Lichtfang auftritt, je mehr Randlinie um die Rasterpunkte liegt.
Als Modelle vergleichen wir zwei gleichartige Raster, z. B. Kreispunktraster mit 60 und mit 80 L/cm. Bei gleicher geometrischer Flächendeckung wird die Farbwirkung des feineren Rasters höher sein als die des gröberen. Man kann sicher behaupten, dass alle gängigen nichtperiodischen Raster („FM - Raster“) zugleich Feinraster sind. In der Tat wurde in ihren Anfängen auch eine „Farbersparnis“ als wirtschaftliches Argument vorgebracht. Heute sieht man die Vorteile erheblich gewichtiger und klarer als mit ein paar Gramm Druckfarbe pro Auftrag.
Auch bestimmte Kunststoffmaterialien lassen das Licht etwas unter die Druckpunkte eindringen, wenn sie bedruckt werden. Dagegen gibt es bei metallisierten Papieren (z. B. Pfandflaschenetiketten) und Metallfolien nur spiegelnde Reflexion, kein Eindringen - also auch keinen Lichtfangbeitrag zur Tonwertzunahme. Nur hier kann man mit dem Densitometer endlich einmal die Flächendeckung messen.