Frage 59, Physik, Rheologie 2

  • Was ist die Zügigkeit einer Farbe?

    meine Antwort:

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    Zügigkeit, oder neudeutsch Tack, sind Ausdrücke für den Zusammenhalt einer Farbe. Man spürt einen Widerstand, wenn man eine Farbmenge zwischen den Fingern auseinanderzieht. Es kann sogar richtig schmatzen dabei, und ein Faden zieht sich zwischen den Spaltflächen, der irgendwann abreißt.

    Dieser alte Test erklärt auch, warum man zügige Farben auch lang und weniger zügige kurz nennt.

    Nötig für den Effekt sind der innere Zusammenhalt (Kohäsion) und der gute Kontakt zu den berührenden Flächen (Adhäsion). Man kann die Zügigkeit salopp als Klebrigkeit bezeichnen.

    Die Zügigkeit wird im Bindemittel organisiert, indem lange Ketten- und Fadenmoleküle beim Auseinanderziehen Zusammenhalt bewirken. Man kann also Bindemittel gezielthoch oder niedrig zügig einstellen. Die Zügigkeit lenkt nicht nur die Klebrigkeit mit der Rupfneigung einer Farbe oder eines Emulgats. Sie hat auch enormen Einfluss auf das Emulgierverhalten, die Wasseraufnahme, das Wasserfenster einer Farbe. Nach einer groben Regel sinkt die Wasseraufnahme, wenn der Tack steigt.

    Mineralöl und Fettsäureester haben vergleichsweise kurze Moleküle, setzen also den Tack einer Farbe herab und die Viskosität auch. Pflanzenöle (und die verwandten Alkydharze) haben vergleichsweise lange Molekülketten und setzen als Zusätze den Tack weniger herab, aber die Viskosität deutlich. So kann man durch Leinöl eine Farbe besser fließend, aber nicht so drastisch kurz machen.

    Zusätze, die den Tack einer Farbe nachträglich erhöhen, kenne ich nicht. Manche Firnisse werden dafür angeboten. Eine wirkliche Tackerhöhung erreicht man allerdings damit nicht. So eine Firnis könnte man zwar formulieren, aus der Dose aber nicht mehr handhaben, weil er viel zu streng wäre.

    Der Zusatz von Mineralöl setzt Tack und Viskosität beide herab. Das führt zu dem Irrtum, eine niedrig viskose Farbe habe immer auch einen niedrigen Tack und umgekehrt. Man kann leicht das Gegenteil zeigen: Eine stark alkydharzhaltige Farbe kann bei hohem Tack sehr fließfähig, also niedrig viskos sein. Eine „magere“ Farbe mit nur wegschlagendem Firnis kann dagegen auch sehr viskos eingestellt werden, ohne auch besonders zügig sein zu müssen.

    Populäre Beispiele dafür sind Butter - viskos aber kurz - und flüssiger Honig - gut fließend aber lang. Man nennt bestimmte Farben deshalb auch „butterig“. Butter ist in noch einem anderen Aspekt ein gutes Beispiel: Sie fließt spontan nicht, auch nicht vom Messer. Mit etwas Druck verteilt sie sich aber weich auf dem Brötchen. Das nennt man scherverdünnend (siehe Viskosität).