Zu eurer Unterhaltung und gegebenenfalls zur Diskussion stelle ich hier hin und wieder einfache Fachfragen. Wer Lust hat, kann sich nach der eigenen Beantwortung meine Lösung anschauen. Wenn jemand erweitern, korrigieren oder widersprechen will - jederzeit gerne.
Frage: Was bedeutet „Thixotropie“ und, wie betrifft sie Offset-Druckfarben?
Meine Antwort:
Viele Praktiker benutzen diesen Ausdruck und haben irgendeine diffuse Vorstellung, was das sei. Ernsthaft in der Rheologie (Teilgebiet der Physik, das sich mit Fließvorgängen befasst) bedeutet „thixotrop“ scherverdünnend. Eine thixotrope Flüssigkeit wird also unter Scherung (Rühren, Durchquetschen zwischen Walzen, Fließen durch ein Rohr) immer dünnflüssiger. Streng genommen, muss man hier nur den zeitabhängigen Anteil rechnen und den Scherkraft-abhängigen (pseudoplastisch) abziehen. Das ist experimentell schwierig und funktioniert nur mit einem vernünftigen Rheometer.
Besonders bei Gelbs und Cyans kann man merken, dass sie eine Weile nach dem Umrühren in der Dose noch flüssiger sind als nach einer Stunde Ruhe. Der Effekt kann auch Ärger bereiten: Eine weichgerührte Farbe dickt mit der Zeit ein. Wenn diese Eigenschaft zu stark ausgeprägt ist, bleibt sie z. B. im Kasten stehen und muss hin und wieder mit dem Spachtel angeschoben werden.
Schuld sind eine Art Geliervorgänge in der Farbe. Sie bilden Strukturen mit der Ruhezeit, die beim Rühren zerstört werden.
Witzig ist jetzt, dass solche Vorgänge (und damit das Stehenbleiben im Kasten) in der Wärme schneller vorangehen als im Kalten. Obwohl im allgemeinen die Fließfähigkeit in der Wärme besser ist, ist das Stehenbleiben deshalb eher ein Sommerproblem.
Thixotropie ist also immer eine schlechte Eigenschaft, weil sie Überwachungsaufwand erfordert.
Die Scherkraft-abhängige Verflüssigung von Farben (Pseudoplastizität) brauchen wir dagegen. Durch sie kann man die Farbe aus der Dose spachteln, ohne dass sie vom Spachtel herunter läuft. Und zwischen den Walzen flutscht sie hindurch und bremst nicht die Maschine. Wenn der gerade gedruckte Punkt nun sofort schwerflüssig wird, bleibt er stehen und läuft nicht weiter breit
Zum Glück ist diese Eigenschaft der Normalfall für Feststoff-Suspensionen. Das Gegenteil, die Dilatanz, gibt es ganz selten. Ich habe von einer Papierstreichfarbe gehört, die sich quasi um den Rührer wickelte. Als man ihn hochzog und anhielt, tropfte der ganze Pfropf allmählich wie ein Speiseeis im Sommer vom Rührer ab.
Wenn ihr aus Jux für eure Kinder so einen Spaß vorführen wollt, mischt 100 Teile Maisstärke (z. B. Maizena) mit 90 Teilen Wasser gut durch. Für etwa eine Stunde habt ihr dann ein dilatantes Medium. Noch mehr Spaß gibt es mit einer ganzen Wanne solcher Suspension hier.
Viele Grüße & ciao
Inkman