Zu eurer Unterhaltung und gegebenenfalls zur Diskussion stelle ich hier hin und wieder einfache Fachfragen. Wer Lust hat, kann sich nach der eigenen Beantwortung meine Lösung anschauen. Wenn jemand erweitern, korrigieren oder widersprechen will - jederzeit gerne.
Frage: Es gibt ein paar Verfestigungstechniken für besondere Druckfarben, die bestimmte Strahlungsarten benutzen. Dazu kann man ESH, UV und LED-UV zählen. Manche Fachleute zählen auch IR dazu. Was kennzeichnet die einzelnen?
Meine Antwort:
1. Mit ESH bezeichnen wir die Elektronenstrahlhärtung. Hier bestrahlen wir die frischen Drucke mit Elektronen, also Kathodenstrahlen. Das Prinzip kennen wir von der alten Fernsehröhre. Es sind also wirklich kleine Kugeln, die auf das Substrat geschossen werden und dort kleine Moleküle aus der Gruppe der Acrylate polymerisieren lassen. Die haben reaktive (instabile) Doppelbindungen, die von den Elektronen aufgebrochen werden und dann sofort und aufgeregt neue Bindungspartner suchen. Das führt zu einer Vernetzung im Bindemittel.
Elektronenstrahlen sind hammerhart und durchdringen den Druck leicht. Das bedeutet, die Härtung geht tief und gründlich. Und praktisch instant, also sofort und ohne Umrühren. Technisch ein Superkonzept, weil alles sofort und durchgängig fest ist. Tetrapak hat so Saftkartons hergestellt.
Leider gibt es auch Nachteile: Die Bestrahlungseinrichtung ist extrem teuer. Sauerstoff stört. Also muss unter einem guten Vakuum gearbeitet werden. Wenn man Bahnenmaterial bedrucken will, hat der Maschinenbauer also eine kniffelige Aufgabe. Das heißt schon wieder: teuer.
Und wegen der gesundheitlichen Risiken in ungehärteten Acrylaten muss man eine sehr ernsthafte Arbeitshygiene einhalten. Das kostet auch.
Überall dort, wo die todsichere Härtung unter höchster Produktionsgeschwindigkeit teure Anlagen erlaubt, lebt die ESH noch heute, z. B. in der Laminatproduktion (Holzfurnier-Imitation durch im Tiefdruck gedruckte Holzmaserung mit superabriebfestem Hochglanzlack auf Möbeln).
2. UV : Clevere Fachleute fanden, dass man die gleichen Bindemittel, nämlich Acrylate, auch mit UV-Licht vernetzen kann, wenn man in das Bindemittel einen Vermittlerstoff hineingibt, einen Photoinitiator. Der nimmt das billige Licht und zerfällt selbst in so genannte Radikale, startet damit eine ganz ähnliche Polymerisationsreaktion wie der teure Elektronenstrahl.
UV ist also die günstigere Variante der Idee. Damit ist sie offen für kleinere Anwendungen, z. B. Bogenoffset. Als Strahlungsquellen werden Quecksilber-Dampflampen verwendet. Sie geben ein breites Strahlungsspektrum ab - vom UV über den sichtbaren Bereich bis weit in IR und Wärmestrahlung. Allerdings muss man das unter UV-Licht entstehende Ozon und viel nutzlose Wärme irgendwie loswerden. Und die arbeits-hygienischen Anforderungen bleiben, da ja immer noch mit Acrylaten gearbeitet wird.
3. LED-UV : Lieber hätte man eine UV-Licht-Quelle, die ganz genau nur die benötigten Wellenlängen aussendet, damit der Photoinitiator zerfällt. Dann erspart man sich viel Ärger und Aufwand. Es wurden Excimer-Laser probiert, leider auch eine sehr teure Einrichtung. Wir kennen sie aus Augenkliniken.
Und dann kamen immer mehr Leuchtdioden = LEDs auf den Markt, die nicht nur UV-, sondern sogar UV-Laser-Licht abgaben. Das war ein Durchbruch, weil hier monochromatisches Licht entsteht, also nur ganz bestimmte Wellenlängen. Außerdem sind sie in der Installation und im Betrieb günstiger als die Breitband-Lampen.
Leider funktionierten die alten Photoinitiatoren nicht, weil deren Absorptionsspektrum nicht zu den LEDs passte. Also mussten neue her. Und so etwas ist wie bei Arzneimitteln: viel Aufwand und hohe Kosten.
Es ist die anspruchsvolle Arbeitshygiene geblieben. Die Absaugung wäre theoretisch nicht mehr nötig, weil man UV-Wellenlängen benutzt, die kein Ozon entstehen lassen. Immerhin muss man sehr wirksam gegen den Farb- und Lacknebel arbeiten. Und da empfehlen manche doch noch lieber eine Absaugung. Aber insgesamt ein tolles System.
Aus Reklamegründen wird LED-UV als neue Technologie verkauft. Wie ihr seht, ist es eher eine weiter entwickelte Fassung älterer Technik.
4. IR ist auch ein Teil des Lichtes, der elektromagnetischen Strahlung. So viel zur Gemeinsamkeit mit UV. Es gibt aber keine Bindemittel, die sich durch IR-Licht zu einer Vernetzung anregen lassen. Infrarotbrenner erwärmen nur die Druckprodukte und beschleunigen damit die in den Farben vorhandenen Trocknungsmechanismen. Es gibt also gar nicht die Frage „IR oder UV oder LED-UV“. Anstelle IR sollte man „wegschlagende und oxidative Trocknung“ sagen, also konventionelle Farben. Und das ist keine einfach drucktechnische Entscheidung. Hier entscheiden mit, welche Produkte gedruckt werden, welche technischen Anforderungen an die Drucke gestellt werden usw.
Viele Grüße & ciao
Inkman